01 – P wie Projektvorstellung

Der Vorhang des städtischen Theaters ging auf und am Rand der sonst dunklen Bühne standen ein Mädchen und ein Junge.
Sie trug enganliegende Jeans und ein auf Taille geschnittenes T-Shirt, er trug eine weite Jeans, ein überdimensionales T-Shirt und ein Basecap.
„Wir können nicht einfach beim Buchstaben P anfangen!“, meinte das Mädchen, gerade so, als wären die Zuschauer mitten in eine ernste Diskussion geplatzt. „Unser Projekt lautet das Alphabet!“
„Ja, aber bevor wir am Anfang der Geschichte beginnen können, müssen wir den Zuschauern erstmal unser Projekt vorstellen!“, entgegnete der Junge nicht minder hitzig. „Und das Alphabet halten wir ja ein, es geht halt nur nicht alphabetisch…!“
Das Mädchen ging ein paar Schritte auf der Bühne zurück und ein Tisch wurde beleuchtet. Sie sah sich suchend auf dem Tisch um.
„Wer hat sich den Blödsinn mit den 24 Buchstaben nur ausgedacht!“, schimpfte sie.
„26.“, korrigierte der Junge sie.
Die geplanten Lacher aus dem Publikum erklangen prompt.
Er stellte sich neben das Mädchen, griff nach etwas auf dem Tisch und drehte sich zu ihr.
„Beginnen wir mit P wie Projektvorstellung, bevor wir mit A wie Am Anfang weitermachen, okay?“
Das Mädchen nahm den Gegenstand aus den Händen des Jungens, drehte sich zum hinteren Teil der Bühne, welcher daraufhin beleuchtet wurde und meinte lediglich. „Okay.“
Dann heftete sie einen übergroßen Buchstaben P aus Pappmache, denn den hielt sie in der Hand, an das hintere Ende der angeleuchteten Leinwand.
Nach getaner Arbeit wandten sich die beiden nun an das Publikum. Abwechselnd begrüßten sie die anwesenden Lehrer, Schüler, Eltern, Einwohner der Stadt sowie die Vertreter der hiesigen Presse.
„Wie Sie alle wissen, hat das heutige Fest des Theaters eine lange Tradition in unserer schönen Stadt.“ Die Kleinstadt, welche sie meinten, beheimatete 20.000 Seelen und war an einem schmalen Fluss gelegen, welcher den Stadtkern mit zwei seiner Nebenarme umschloss. Das Theater lag innerhalb dieser Insel und vor 20 Jahren hatte es eine schwere Überschwemmung gegeben, welche auch fast dieses jahrhundertealte Gebäude zerstört hätte. Das Wunder der Rettung wurde nun alljährlich mit einem Tag des Theaters gefeiert.
Das Mädchen und der Junge berichteten abwechselnd von dieser Tragödie und wie all ihren Vorgängern stockten auch ihre Stimmen zwischendrin. Selbst wenn sie damals noch nicht geboren waren, so verloren auch sie Familienmitglieder, welche sie nur aus den liebevollen Erzählungen ihrer Eltern kannten.
„Dieses Jahr wurde die elfte Klasse unserer Schule ausgewählt, den Tag des Theaters zu gestalten. Und unsere Lehrerin, Frau Schneider, stellte uns vor eine schwierige Aufgabe.“, erklärte der Junge.
„Wir sollen die 24, nein 26 Buchstaben des Alphabets verwenden.“, mit diesem erneuten kleinen Scherz holte das Mädchen die Anwesenden aus den traurigen Erinnerungen an die Flut in die Gegenwart zurück.
Nachdem das Lachen wieder abgeflaut war, sprach das Mädchen weiter. „Wir bekamen als Aufgabe, mit Hilfe des Alphabets unsere politische und allgemeine Sichtweise auf unsere Umwelt aufzuzeigen. Dabei sollte jeder Buchstabe für eine Szene und somit ein Thema stehen und mindestens eine Minute, aber nicht länger als fünf Minuten, dauern.“, erklärte sie und mit einem kleinen demütig scheinenden Knicks fügte sie verschmitzt hinzu: „Wir wollen Sie ja auch nicht langweilen.“ Wieder ertönten Lacher.
„Ihr habt noch zwei Minuten sechsundzwanzig!“, brüllte es hinter der Bühne. Und erneut bebte der Zuschauersaal vor Gelächter.
„Wie Sie sich vorstellen können, stritt sich unsere Klasse dabei fürchterlich, wessen Sichtweise wir nehmen sollen.“, ergänzte der Junge wiederum. „Ich bin ja immer noch für meine!“
Während die Zuschauer erneut lachten, betraten alle Schüler der elften Klasse die Bühne. Gemeinsam hoben sie an zu sprechen.
„Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei unserer Reise durch das Alphabet, die nicht ganz alphabetisch sein wird. Und wir kommen nun zum zweiten Buchstaben für A wie Anfang.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert