Ein bekannte, klassische Melodie erklang sanft, leise, tieftraurig.
Ein Lichtspot wurde langsam heller und man sah einen zugedeckten Körper inmitten der Bühne liegen. Das weiße Laken wurde letzten Endes grell angestrahlt.
„Sie wissen, wer ich bin.“, sagte Leonie laut und richtete sich langsam auf. Das Laken rutschte von ihrem Gesicht und ihrem Oberkörper hinab. „Ich bin das Opfer.“
Der Lichtspot wechselte von Leonie auf das Alphabet am hinteren Teil der Bühne.
Das O war bereits an der Leinwand angebracht und wurde nun angestrahlt, während Leonie sagte: „Ich bin O, das Opfer.“
Das Licht ging komplett aus, um schließlich wieder weich und warm Leonie anzustrahlen. Sie war unterdessen aufgestanden und trug wieder das lange weiße Kleid.
Im Hintergrund flammten wieder Bilder von ihr auf. Zuerst als Baby, dann als Kleinkind und letztlich als junges Mädchen. Auch Familienbilder waren dabei.
Mit ernster Miene erzählte Leonie ihre Lebensgeschichte, von der Geburt an bis zum Tag ihrer vermeintlichen Ermordung.
Sie berichtete von ihrem senegalesischen Vater und ihrer deutschen Mutter und deren Schwierigkeiten in einer nicht namentlich genannten Kleinstadt als Paar anerkannt zu werden. Leonie berichtete von Begebenheiten, welche schweren Rassismus beinhalteten und das Publikum in ein entsetztes Schweigen verfallen ließ. Doch berichtete sie auch von Freundschaft und Freundlichkeit, Anekdoten, die manche Lacher mit sich brachten.
Die Beklommenheit der Menschen im Zuschauerraum war jedoch immer spürbar, denn jeder kannte Leonie als ein Mädchen, das stets pure Lebensfreude versprühte und nun das…
Dann wurden Bilder mit Jonas und Leonie als Paar gezeigt. Dieser kleine Kunstgriff sollte die Zuschauer wieder zurück zum Theaterstück bringen.
Auf dem letzten gemeinsamen Bild war auch Leonies Vater zu sehen, welcher das Liebespaar anschrie. „Und Vater verbot mir den Umgang mit diesem Taugenichts von einem Weißen.“, kommentierte Leonie das Bild. Sie berichtete weiter, dass sie sich dem Willen des Vaters beugte und sich von Jonas schweren Herzens trennte.
„Trostlose Monate zogen ins Land. Ich blieb allein und Jonas traf Hannah. Eines Abends ging ich dann nach Hause, nein, ich wollte nach Hause gehen.“
Eine in schwarz gekleidete Gestalt näherte sich Leonie. Die Hände steckten in schwarzen Handschuhen und das Gesicht war hinter einer Maske versteckt.
„Er schlug mir auf den Kopf, so dass ich stürzte.“
Theatralisch hob der unbekannte Angreifer einen Stein und schlug das Mädchen scheinbar nieder, welches gleich darauf wie in Zeitlupe zusammensank.
„Ich weiß nicht, wer mich getötet hat.“, Leonie legte sich nun wieder kerzengerade hin. „Und ich weiß auch nicht warum.“
Zwei Jungen in Polizeiuniform betraten die Bühne, nahmen das Laken und deckten Leonie wieder zu.
Dann ging das Licht aus.