Als die Scheinwerfer wieder angingen, stand Kevin stand nun allein am Lehrerpult.
Cosima gab immer noch vor die Lehrerin Frau Felsenkirchen zu sein und die Klasse saß da, wie in einer normalen Unterrichtsstunde.
„W wie Weltkrieg.“, sagte Kevin, pinnte den Buchstaben an seine entsprechende Stelle an die Leinwand und begab sich zurück neben das Lehrerpult.
„W wie Weltkrieg oder wovor ich am meisten Angst habe.“, begann Kevin seinen Vortrag. „Frau Felsenkirchen gab mir dieses Thema für mein Referat.“
Ein kurzer Videoclip wurde eingespielt und an die Tafel projiziert, auch gut sichtbar für das Publikum im Zuschauerraum.
Am Anfang waren Bilder des ersten und zweiten Weltkrieges zu sehen, dann ein Atompilz und zum Schluss Bilder von Kriegsschauplätzen der heutigen Zeit.
„Natürlich begann die Kriegsführung der Menschen nicht erst mit dem ersten Weltkrieg. Scheinbar führte die Menschheit schon immer Krieg um irgendwas. Was mir aber Angst macht ist, dass wir Menschen daraus nichts gelernt haben. In jedem Krieg sind die ersten Opfer unter der Zivilbevölkerung. Alte, Frauen und Kinder müssen nicht nur Bombardements erdulden, nein sie leiden auch Hunger und sterben, weil es keine notwendige medizinische Versorgung gibt. Und wofür? Für Geld oder Land oder Macht oder Glauben.
Und alleine beim Glauben falle ich von selbigem ab. So ist in jeder Religion der erste und wichtigste Grundsatz, das Leben des Menschen ist heilig. Und doch werden und wurden zu Ehren des Glaubens bereits Millionen von Menschen getötet.
Wenn ich so in die Welt hinausschaue und die vielen verschiedenen Regierungschefs und Machtinhaber sehe, bekomme ich noch mehr Angst. Viele Länder verfügen über Massenvernichtungswaffen oder Atombomben und dort sitzen meist nicht die vernünftigsten Menschen in den Führungspositionen. Ein dritter Weltkrieg allerdings wäre verheerend, nicht nur für mich, sondern für alle Menschen.“
Die folgende kurze Redepause offenbarte die Beklemmung des Publikums. Die Zuschauer hatten an Kevins Worten schwer zu kauen.
„Doch selbst wenn ein Weltkrieg, ob der Alternative Ausrottung der Menschheit, unwahrscheinlich scheint, stelle ich mir die Frage, ob er nicht schon lange unter uns ist.“
„Wie kann er bereits unter uns sein?“, warf Guido ein, als Kevin erneut eine kurze Pause einlegte.
„Das ist eine sehr gute Frage. Als ich heute Morgen aus dem Haus ging, sah ich eine Frau ihre kleine Tochter ohrfeigen. Das Mädchen hatte nicht gehört und die Mutter glaubte es so bestrafen zu müssen. Eine Straße weiter schüttete ein Mann einen Eimer Wasser aus dem Fenster. Unter seinem Fenster waren Straßenmusikanten und die nervten ihn. Er wollte sie so vertreiben. Kurz vor dem Theater ging ich über die Straße, die Fußgängerampel war grün. Als erstes fuhr mich fast ein Auto an und der Fahrer hupte mehrfach und gestikulierte wild. Als ich die gegenüberliegende Straßenseite erreicht hatte, kam ein Fahrradfahrer. Er fuhr auf dem Fußweg, in falscher Fahrtrichtung und mit extrem hoher Geschwindigkeit. Direkt vor dem Theater stritten sich zwei Männer heftig um einen Parkplatz. Der eine habe dem anderen den Platz geklaut. Nach ein paar beleidigenden Sätzen flogen Fäuste.“
Kevin sah in seine Klasse und wandte sich dann ans Publikum.
„Vielleicht ist der Weltkrieg, der mich so ängstigt, schon unter uns.“
Das Bühnenlicht erlosch.