12 – Q wie Qualle

Als das Bühnenlicht wieder anging, stand ein Mädchen namens Melanie am Lehrerpult und hielt den Buchstaben Q fest.
„Mein Referat heißt Q wie Qualle oder wie Frau Felsenkirchen als Thema ausgab, erzähle über die schlimmste Beleidigung, die dir widerfahren ist.“, dann ging das sehr propere Mädchen zur Leinwand und pinnte den Buchstaben an.
„Die schlimmste Beleidigung? Am schlimmsten beleidigt wurde ich von Rena.“, Melanie stellte sich genau vor deren Bank und sah diese während ihrer Worte an. Rena, ein fast überschlankes Mädchen, durchgestylt bis in die Fingerspitzen.
„Rena nannte mich fette Qualle. Was an sich sogar eine doppelte Beleidigung darstellt. Erstens bin ich nicht fett, sondern nach den heutigen wissenschaftlichen Standards übergewichtig und zweitens hat eine Qualle kein Gehirn, und ich bin nun mal der Klassenprimus.“
Dann wandte sich Melanie zu Felix. Der schüchterne Junge hatte seine Haare ins Gesicht gezogen, denn ein riesengroßes Feuermal prangte auf seiner Stirn.
„Felix nannte mich Brillenschlange. Doch ich bin weder giftig noch ein Kriechtier.“
Das Mädchen wiederholte dieses Procedere bei fast allen Klassenkameraden, zuerst nannte sie die gröbste Beleidigung desjenigen und äußerte dann ihre Gedanken dazu. Letztlich stellte sie sich wieder neben Renas Bank.
„Meine Eltern bekamen diese Beleidigungen mit. Mein Papa meinte, das ist Mobbing, da musst du zurückschlagen. So sollte ich zum Beispiel auf Renas fette Qualle antworten: na du Gerippe, bettelst du schon wieder um Essen?“
Melanie stellte sich wieder zu Felix Bank. „Wenn Felix mich wieder Brillenschlange nennen würde, sollte ich antworten: Und du bist eine Blindschleiche oder warum sonst hast du eine Landkarte auf die Stirn tätowiert?“
Ein entsetztes Keuchen war aus dem Zuschauerraum zu hören.
Melanie wiederholte die Prozedur wiederum bei fast allen Mitschülern und stellte sich letzten Endes erneut neben Renas Bank.
„Meine Mama meinte, ich sollte das nicht tun. Auf eine Beleidigung noch grober zu reagieren würde mir zwar kurz ein Siegesgefühl geben, aber es würde mich auch mit meinen Peinigern auf eine Stufe stellen. Was machte mich dann besser als sie? Ich würde mich schämen, weil ich andere bewusst verletzten würde. Meine Mama riet mir, mit ihnen zu reden und ihnen zu sagen, dass sie mich verletzen. Gleichzeitig erinnerte sie meinen Papa daran, dass er sie auch immer an den Zöpfen gezogen hatte, weil er zu schüchtern war, sie um ein Date zu bitten. Aber ich hörte auf meinen Papa. Als Rena mich wieder fette Quale nannte, bekam sie ihre Antwort.“
Rena lächelte Melanie aufmunternd an.
„Oh ich fühlte mich gut, für genau… eine Sekunde. Direkt danach, passierte das, wovor meine Mama mich hatte warnen wollen. Ich fühlte mich richtig, richtig schlecht. Ich schämte mich zutiefst. Also wartete ich, bis ich Rena allein antraf, entschuldigte mich und sagte ihr, dass sie mich verletzt hatte und ich mich nur hatte rächen wollen. Nun ja und der Rest ist Geschichte. Heute sind wir die besten Freundinnen, die Qualle und das Gerippe.“
Und das Licht erlosch.

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