14 – N wie Nachhilfe

Als das Licht wieder anging, stand auf der Tafel riesengroß mit Kreide geschrieben: N wie Nachhilfe. Der Buchstabe selber war bereits an seine Position an der Leinwand angeheftet.
Die Schulbänke waren bis auf eine leer. Dort saßen Fred und Vicky.
Fred, ein dunkelblonder Hüne und Vicky, eine zierliche Brünette, saßen über einen Stapel Bücher gebeugt und schienen zu lernen.
„Alter, ist das schwul!“, dröhnte Freds tiefe Stimme nach wenigen Sekunden über die Bühne. Schier verzweifelt warf er seinen Stift auf die Bank.
„Lesbisch.“, kommentierte Vicky lachend.
„Was?“, fragte Fred nach.
„Lesbisch, ich bin lesbisch.“, erklärte das Mädchen.
„Alter, ich meine doch die Aufgaben!“, lachte Fred auf. Und während er den Kurzhaarschnitt seiner Mitschülerin zerzauste, sagte er: „Nicht dich, kleiner Floh!“
Gemeinsam lachend beugten die zwei sich wieder über die Aufgaben.
Nach einigen Sekunden stand Vicky auf und ging zu ihrem Rucksack. Sie schien etwas zu suchen.
„Sag mal, kleiner Floh, kann ich dich was fragen?“, sagte Fred inzwischen. „Will dich aber nicht beleidigen, oder so.“
„Was willst du denn wissen, Bärchen?“, fragte Vicky gutmütig nach.
Leise Lacher kamen im Publikum auf. Bärchen, so wurden die Spieler des örtlichen Eishockeyteams genannt, in welchem Fred Kapitän war, wenn man sie ärgern wollte. Die White Bears waren ein bunter Haufen an Jugendlichen, die diese Saison erstaunliche Erfolge in ihrer Liga erzielt hatten.
„Mh, naja, weißt du, meine Mum sagt, das ist ne Krankheit…“ begann Fred stockend. „Sie hatten wohl so einen in ihrer Schule damals und der kam in so eine Klinik, danach war er wohl wieder normal. Alter, ich will dich aber nicht dumm machen oder so…“
Vicky lachte laut schallend.
„Komm schon, kleiner Floh! Zwei Mädels, ist das nicht irgendwie unnormal?“, versuchte der Junge es erneut.
Das Mädchen stellte ihren Rucksack ab, ging zurück zu der Bank, an welcher Fred saß und setzte sich auf ihren Stuhl.
„Schau mal, Bärchen. Du hast doch deine Dora.“, versuchte sie zu erklären. Ihre Stimme war ruhig.
„Ja klar. Meine Süße mit den großen Hup…!“, frech grinsend deutete Fred die überdimensionale Oberweite seiner Freundin an. Wieder wehte leises Lachen aus dem Zuschauersaal auf die Bühne.
„Ja, ja, ich weiß schon!“, kommentierte Vicky ebenfalls lachend die Bewegung. „Dora liebt dich und du liebst sie und…“ Als Fred seine Bewegung von gerade wiederholte, schlug ihm Vicky lachend auf die Finger. „Komm schon, Bärchen, ernsthaft.“ Der Junge nickte und hörte seiner Klassenkameradin daraufhin aufmerksam zu.
„Naja, und so wie ihr euch liebt, tun das Siggy und ich auch. Nur das wir beide halt Frauen sind. Aber daran gibt es nichts Krankes, was therapiert werden muss. Was deine Mum meint, ist ein Umerziehungsheim und die waren echt Scheiße. Da hat man die Männer und Frauen regelrecht gefoltert, bis sie so taten, als wären sie normal!“
„Aber meinst du nicht, wenn du und Siegfrieda mal so mit einem richtigen Typen … und so…“, wieder machte Fred eine entsprechende Bewegung.
„Die Frage gebe ich an dich zurück. Meinst du, dass du dann schwul werden könntest?“, entgegnete Vicky. Entsetzt sprang Fred auf. „Bist du bescheuert, Alter?“
Vicky erhob sich ebenfalls und legte beruhigend eine Hand auf Freds Brust. „Nein, bin ich nicht. Aber warum glaubst du, wenn es bei dir nicht funktioniert, dass es bei mir und Siggy klappen würde?“
Fred überlegte einige Augenblicke und setzte sich wieder hin. „Glaube, das verstehe ich. Danke“
„Klar doch Alter!“, Vicky knuffte Fred liebevoll in die Seite „Aber cool, dass du gefragt hast…“.
Und das Licht ging aus.

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