Das Bühnenlicht ging an.
Diesmal stand Guido vor der Klasse. Ein großer durchtrainierter brünetter Siebzehnjähriger, der aus sehr gutsituiertem Haus kam. Guido war als schweigsam bekannt und man verglich ihn gern mit seinem besten Freund Kevin. Gegen den Fünfzehnjährigen schnitt Guido zwar nicht ganz so gut ab, war aber ein gern unterschätzter kluger junger Mann.
„Y wie Yoghurt.“, begann er zu sprechen, während er den Buchstaben an den entsprechenden Platz an der Leinwand befestigte. „Das ist zwar die veraltete Schreibweise für Joghurt, aber was Besseres fiel mir zu Y nicht ein.“
Guido ging zurück zu seinem Platz vor der Klasse und begann sein Referat.
„Fakt ist: Yoghurt mag ich am liebsten in Form von Soße über meinen Döner.“, sowohl die Klasse als auch das Publikum lachten.
„Doch Fakt ist auch, dass Döner als eines der gesündesten Fastfood-Essen gilt.“, die Lacher erstarben.
„Was natürlich ein Widerspruch in sich ist, seit wann ist Fastfood gesund?“, vereinzeltes Gekicher flammte erneut auf.
„Laut mehreren Studien, welche in den letzten Jahren von namenhaften Instituten und Firmen durchgeführt worden sind, macht Armut dick. Doch warum ist das so?“
Im Hintergrund flammte eine große Tabelle auf. Auf der linken Seite waren die Namen und Preise der verschiedensten Fastfoods gelistet und auf der rechten Seite die Namen und Preise von Obst und Gemüse, sowie Vollkorn- und anderen gesunden Produkten.
Guido ließ diese Tabelle kurz auf seine Zuschauer einwirken. Als leises Getuschel einsetzte, sprach der junge Mann weiter.
„Wie kann es angehen, dass eine Salatgurke aus Bioanbau über 2 Euro kostet, ein Döner von Ecke aber nur 1,50 Euro?“, Guido begann die Unterschiede vorzulesen und seine Ansicht dazu zu erklären.
„Uns jungen Menschen wird ständig gepredigt, wir sollen nicht so viel Cola oder Limo trinken und mehr Wasser, doch wenn ich mir die Preise ansehe, kann ich das keinem verdenken! Natürlich esse ich in der Pause dann lieber Kartoffelchips für 49 Cent, als ein Sandwich mit Brunnenkresse, was ganz nebenbei auch noch total eklig schmeckt!“, wieder erklangen verhaltende Lacher.
„Dank meiner nicht ganz mittellosen Eltern kann ich meinen Freunden immer mal einen Obstsalat oder einen Smoothie aus der Kantine ausgeben. Doch meine Freunde wollen nichts von mir geschenkt und schon gar nicht mich ausnehmen. Ganz klar, die haben auch ihren Stolz und das ist absolut okay. Sie können auch stolz sein, auf ihre hart arbeitenden Eltern, genau wie ich auf meine! Doch das ist ein anderes Thema.“, Guido räusperte sich kurz. Man war von ihm solch lange und gefühlsmäßige Rede nicht gewöhnt und der Ernst seines Referates ließ auch nur selten heitere Stimmung zu.
„Das Schulessen in der Kantine ist an sich nicht schlecht. Es gibt eine Salatbar, vegetarische Gerichte und verschiedene Smoothies, neben Fleischgerichten, Suppen und selbst verschiedene religiöse Einschränkungen werden bei der Speisenauswahl berücksichtigt. Und dabei wird auch noch auf regionale und saisonale Zutaten geachtet. Doch das hat seinen Preis. Wir haben in unseren Klassen aktuell verschiedenste Ernährungsweisen, Moment, das muss ich ablesen!“, Guido zog einen Zettel aus der Hosentasche und entfaltete ihn. „Wir haben Veganer, Fruganer, Paleotarier, Pescetarier und Flexitarier, was auch immer das alles bedeutet.“, der junge Mann faltete seinen Zettel wieder zusammen.
„Ich finde es wichtig, dass die Schulleitung und die Eltern sich für ein besseres Schulessen stark machen. Wir wollen gern gesund essen, aber Stand heute ist das unbezahlbar für die sogenannte untere soziale Schicht. Das darf so nicht bleiben. Denn auch mir hängt die Yoghurtsoße über meinem Döner irgendwann mal zum Hals raus!“
„Und solange es keine Brunnenkresse ist!“, rief Kevin, während das Bühnenlicht ausging und Lachen im Publikum erklang.