20 – R wie Renas Geschichte

Als das Bühnenlicht wieder anging, stand Rena am Pult von Frau Felsenkirchen.
Das überschlanke Mädchen brachte den Buchstaben R an der Buchstabenleinwand an, stellte sich zurück neben das Lehrerpult und begann zu sprechen.
„R wie Renas Geschichte. Ich bin Rena und ich bin süchtig.“
Das Publikum keuchte auf.
Das Bild eines ca. elfjährigen pausbäckigen Mädchens wurde eingeblendet.
„Das bin ich mit elf Jahren. Wir lebten in der Großstadt. Und meine Welt war noch in Ordnung.“, Rena sprach langsam, mit gebrochener Stimme.
„Als ich mit zwölf als erste in die Pubertät kam und weibliche Rundungen bekam, rief das einige neidische Klassenkameradinnen von mir auf den Plan. Eine, deren Namen ich nicht nennen möchte, war die Rädelsführerin. Sie hetzte die anderen Mädchen gegen mich auf und sie wollten sich daraufhin „einen Spaß““, Rena zeigte die Anführungszeichen an. „mit mir erlauben. Sie redeten mir ein, ich wäre fett. Abwechselnd kamen sie zu mir, stachen mir mit einem Finger in den Bauch und meinten, ob es nicht Zeit wäre diesem fetten Körper eine Diät zu gönnen. Zu diesem Zeitpunkt war ich 1,55 m groß und wog 45 Kilogramm.“
Ein weiteres Bild wurde eingeblendet. Es zeigte ein etwa 14 Jahre altes Mädchen, ihren Körper unter weiter, langer Bekleidung verbergend. Im Gesicht wirkte das Mädchen etwas hohlwangig.
„So begann meine Sucht, die Sucht danach dünner zu werden. Ich aß nur noch sehr wenig und nahm auch schnell ab, aber meine Mitschülerinnen sagten mir weiter, ich wäre fett. Auf diesem Bild war ich 14 Jahre alt, 1,70 m groß und wog 43 Kilogramm. Ich aß am Tag einen Apfel und trank 3 Liter Wasser. Wenn ich abends mit der Familie zu Abend essen sollte, erfand ich Ausreden. Mal hatte ich mit „meinen Mädchen“ auf dem Heimweg schon Burger oder Pizza gegessen, manchmal war mir schlecht, weil ich meine Tage hatte und manchmal hatte ich auch einfach keinen Hunger. Früh am Morgen, war ich dann immer noch satt vom Abendessen. Da ich mich selbst für fett und hässlich hielt, trug ich sogar im Hochsommer lange, weite Kleidung. So bemerkte auch niemand, dass ich immer weiter abnahm. Kurz vor meinem 15. Geburtstag ging es dann einer meiner Klassenkameradinnen zu weit. Sie fotografierte mich heimlich, als ich mich für den Sportunterricht umzog und schickte das Foto an meine Eltern.“
Das besagte Bild wurde eingeblendet und ein entsetztes Raunen ging durch das Publikum.
Rena war in kurzer Hose und mit Sport-BH begleitet. Ihr Körper war vollständig abgemagert.
„Meine Eltern brachten mich sofort ins Krankenhaus. Innerhalb eines Jahres halfen mir Ärzte und Psychologen auf ein halbwegs normales Gewicht zurück. Und um mich vor den Mädchen zu schützen, zogen meine Eltern mit mir hierher, in die Geburtsstadt meines Vaters. Als erstes hier, geriet ich mit Melanie aneinander. Diese Geschichte hat sie Ihnen ja bereits erzählt. Als wir Freundinnen wurden, erzählte ich ihr von meiner Sucht und das ich mich immer noch für fett halte. Und Melanie handelte sofort. Sie fragte mich, ob ich sie für fett halte. Und ich verneinte. Sie ist kräftig, aber nicht fett! Und da tat meine Freundin etwas, was mir auch heute an manchen Tagen unendlich hilft.“
Ein weiteres Bild wurde angezeigt. Im Hintergrund stand Melanie braungebrannt und mit einem Badeanzug bekleidet und direkt vor ihr Rena, käseweiß und ebenfalls mit einem Badeanzug bekleidet. Beide Mädchen hatten die Arme und Beine in der gleichen Position und so konnte man die braungebrannten Gliedmaßen Melanies hinter den hageren, weißen von Rena gut erkennen.
Ein weiteres Bild zeigte die Mädchen in Seitenansicht. Der blaue Badeanzug der im Hintergrund stehenden Melanie hob sich eindeutig von Renas gelbem ab.
„Neid und Missgunst haben mich krank gemacht, weil andere vermutlich mit sich selbst nicht klar kamen.“, Renas Stimme war jetzt kräftig und klar. „Doch die Liebe meiner Eltern und meiner Freunde helfen mir Tag für Tag. Ich bin weder fett noch mager. Ich bin Rena, 17 Jahre alt und wunderschön, wie jeder von Ihnen. Und lassen Sie sich niemals von niemandem etwas anderes einreden!“
Das Bühnenlicht erlosch.

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