Dave – Wie ein Faustschlag

Dave hatte das Gefühl als würde ihm im Bruchteil einer Sekunde ein Faustschlag in den Magen gerammt werden, doch es war kein Schmerz, der da folgte, es war etwas, was er nicht benennen konnte.
Dieses raue, kehlige, glückliche Lachen der Brünetten löste eine Flut an Emotionen in Dave aus. Ihr Gesicht strahlte mit der Sonne um die Wette. Der Wind spielte mit ihrem langen Haar, doch das störte sie nicht. Nein, sie war keine dieser klassisch aufgestylten Schönheiten. Sie war so natürlich rein, so herzlich in ihrer Ausstrahlung. Dies war eine lebensbejahende, wohlgerundete Mitdreißigerin, die Dave aus irgendeinem Grund fesselte.
Dave vermutete, dass diese umwerfende Frau wegen ihres Sohnes lachte. Der, der gerade ein so kurioses Tor geschossen hatte, wie er selbst es in seinen 38 Lebensjahren noch nie gesehen hatte. Und er hatte viele Tore gesehen, denn er war Sportlehrer und spielte selbst seit seiner Jugend Fußball.
Dave konnte nicht sagen, dass er Kinder liebte, er mochte sie und arbeitete gern mit ihnen. Doch eigene Kinder waren für ihn nie ein Thema gewesen. Dafür gab es keinen wirklichen Grund, er hatte sich nur nie als Vater gesehen. Nun ja, daran war nicht unerheblich seine langjährige Exfreundin Veronique schuld. Sie wollte sich ihre traumhafte Figur nicht durch eine Schwangerschaft zerstören. Irgendwie war auch das ein Grund für die Trennung gewesen.
Daves Blick schweifte an das andere Ende der Tribüne. Ja, die Schwangerschaft hatte ihre Figur versaut, stellte er nicht ganz ohne Genugtuung fest. Ein One-Night-Stand mit seinem besten Freund hatte ihr einen 2jährigen Sohn und einen Ehemann beschert. Und sie hatte das gefürchtete breite Becken und die nie verlorenen Schwangerschaftspfunde erhalten. Gott, und dieses scheinbar nur aus Schminke bestehende Gesicht und diesen, in viel zu enge Kleidung gepressten, Körper hatte er mal geliebt. Veronique bemerkte nicht einmal, dass sie nur noch eine Karikatur ihres früheren Ichs war. Natürlich war sie laut eigener Aussage total glücklich, obwohl sie permanent ihren Sohn anbrüllte und lächelnd über die letzte Affäre ihres Ehemannes hinwegsah.
‚Klischees, Klischees!‘ schmunzelte Dave in sich hinein.
Eigentlich war er seinem besten Freund dankbar, auch wenn er nun schon 3 Jahre Single war. Aber dieser hatte ihm die Augen geöffnet über die Scheinwelt, in welche Veronique ihn hineingezogen hatte. Es war immer alles super gut oder super schlecht. Ein Dazwischen oder Grautöne hatte es nie gegeben.
Doch nicht nur seine Exfreundin trug daran die Schuld. Er kam aus einem völlig verkorksten Elternhaus. Auch dort ging es immer nur um Schein, nie um Liebe.
Und all diese Gedankenflut, all diese Empfindungen hatte ein einziges von Herzen kommendes Lachen ausgelöst.
Dave wusste, er musste diese Brünette ansprechen. Es war ihm im Moment alles egal, er fühlte sich nur so angezogen von ihr. Er hatte ein Gefühl als sein Leben hinge davon ab.

Und dann überschlugen sich die Ereignisse. Elizabeth und Richard waren Mutter und Sohn und sie begannen Daves Leben auf den Kopf zu stellen.

Dave konnte sich später nicht mehr an alle Höhen und Tiefen ihrer Beziehung erinnern, als die Jahre ins Land zogen. Aber er wusste noch um die heftigsten Beziehungskämpfe.
Er hasste es zutiefst, wenn Elizabeth grundlos eifersüchtig auf die vielen Mütter war, mit welchen er durch die Arbeit zu tun hatte. Natürlich war er nett zu ihnen, natürlich flirtete er auch ein bisschen, das erleichterte ihm oft seine Arbeit. Doch er liebte nur Elizabeth und er war so leid, es immer wieder beweisen und sagen zu müssen.
Doch eines Tages erlebte Dave Elizabeth auf ihrer Arbeit, mit ihren männlichen Kollegen. Eifersucht kroch wie Magensäure durch seinen Körper und er verstand. Er hatte das Gefühl als würde ihm in diesem Bruchteil einer Sekunde ein Faustschlag in den Magen gerammt werden, und es war Schmerz, der da folgte.
Abends nervte er seine Frau solange bis sie ihm sagte, dass sie ihn liebte und zwar nur ihn.

Oftmals war er neidisch auf die innige Verbindung zwischen Mutter und Sohn. Seine eigene Mutter war keiner der Menschen, die ihn liebten. Er wollte auch so ein Band wie das zwischen Elizabeth und Richard spüren. So kam es vor, dass er sich wie ein Kind benahm und nicht der heranwachsende Richard. Sein Stiefsohn war so oft erwachsener als er. Einmal verletzte er Elizabeth zutiefst, als er ihr vorwarf ihr Sohn, nicht unser Sohn, hätte Mist gemacht.
Er wusste noch genau, wie ihr Gesicht all ihr Strahlen verlor. Und als er Elizabeths Liebe in diesem Moment ein Stück sterben sah, hatte er das Gefühl als würde ihm in diesem Bruchteil einer Sekunde ein Faustschlag in den Magen gerammt werden. Und den Schmerz, der folgte, hatte er verdient.

Heute war ihr 20. Hochzeitstag. Elizabeth hatte nach der Katastrophe mit ihrem ersten Mann niemals wieder heiraten wollen. Doch nach 15 Jahren Beziehung hatte Dave sie „weichgeklopft“. Marlon, Elizabeths erster Ehemann, war sozusagen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verschwunden, als er von der Schwangerschaft erfuhr. Marlon, ein jugendlicher Schönling, dem die Jahre nicht gutgetan hatten, chronisch pleite und verantwortungslos im Umgang den Gefühlen anderer.
‚Klischees, Klischees!‘ schmunzelte Dave in sich hinein. Doch hatte er einen Grund, warum er an diesen Typen denken musste. Er hatte Richard gerade mit seiner Tante, der Schwester seines leiblichen Vaters, streiten gehört.
„Marlon ist nicht mein Vater, sondern lediglich mein Erzeuger. Mein Vater ist Dave!“
Und er hatte das Gefühl als würde ihm in diesem Bruchteil einer Sekunde ein Faustschlag in den Magen gerammt werden, doch es war Liebe, die da folgte. Liebe zu seiner wunderschönen Frau und seinem wundervollen Sohn.
Gefunden in einem Lachen, auf einem Fußballplatz.

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