DJ LRB

Vorgaben:

  • von Jens
  • Ein DJ reist für einen Gig mit einer Raumfähre zum Mars
  • Auf dem Weg dorthin durchkreuzt ein schwarzes Loch seine Reisepläne
  • Alles danach ist reine Fantasie. Ich bin Atemlos durch die Nacht und freue mich auf Anahera

„Beie alle explodierende Sterne!“, der Pilot stieß regelrecht einen Urschrei aus. „Dihe Jehe ELLE ARRE BIHE! Inne meine Shuttle!“
Der Angesprochene konnte es gerade verhindern, dass seine Augen sich gen Himmel rollten. Er hatte eben erst einen 16-Stunden-Gig hinter sich und wollte nur noch schlafen. In drei Tagen wurde er auf dem Mars erwartet, dort sollte ein Hyper-Gig mit DJ Eric Nitro und DJ Chris Düsentrieb steigen. Jeder von ihnen würde 24 Stunden lang live seine Sounds über die Planeten jagen. Die drei Giganten der Musikbranche würden ihr Können miteinander messen und es sollte „the One and Only“ galaxieweit gekürt werden. Jeder der drei DJs hatte Milliarden von Fans, doch dieser Gig sollte zeigen, wer es verstand, mit seiner Musik das ganze Universum zu begeistern.
Zu mindestens wurde der Hyper-Gig so beworben.
Tatsache war, Eric Nitro und Chris Düsentrieb waren LRBs beste Freunde. Sie alle drei liebten die gleiche Musik und die sphärischen Klänge, welche sie drei spielten, ähnelten einander. Unter ihnen drei gab es keinen Konkurrenzkampf. Sie wollten nur einen Gig spielen und den Menschen damit Freude bereiten.
„Due musste branden meine Shuttle!“, der Pilot plapperte weiter, ohne Punkt und Komma.
LRB setzte entnervt seine blickdichte Vollgesichtsmaske auf. Dadurch konnte er jederzeit unbemerkt seine Augen verleihern, seine Gesichtszüge entgleisen lassen oder gar schlafen, er durfte nur nicht dabei schnarchen.
Blickdichte Vollgesichtsmaske, beste Erfindung, galaxieweit!
Natürlich war LRB zu sehr Showman, als dass er die Bitte seines Piloten ignorieren würde. Er zückte seinen Laser und brandete an der ihm zugewiesenen Stelle: „DJ Long Rich Brook was here!“.
Nach zwei, drei Minuten liebenswürdigem Geplänkel ging LRB zu seiner Kabine und warf seinen völlig übermüdeten Körper auf seinen Schlafbereich. Dann stellte er seine gewünschte Dream-Collection ein und genoss die Bilder, während er sanft in den verdienten Schlaf hinabglitt.
Einen Tag später wachte LRB regelrecht ausgeruht auf. Er hatte seinen letzten Urlaubstrip auf Lunaalpha in seiner Dream-Collection durchlaufen lassen. Drei Wochen Sonne, Musik und exotische Drinks in 24 Stunden nacherleben, waren Erholung pur.
Dream-Collection, zweitbeste Erfindung, galaxieweit!
Jetzt würde LRB sich von dem Personal des Raumshuttles ein fürstliches Frühstück servieren lassen, danach vielleicht noch ein bisschen mit dem Piloten plaudern und dann weiterschlafen.
Bester Plan für heute, galaxieweit!
Das Frühstück stellte sich als regelrechte Offenbarung heraus. Das Shuttle würde er Eric und Chris empfehlen!
LRB ging gerade in Richtung Cockpit, als das Shuttle sich wie unter einem schweren Schlag aufbäumte. Hunderte Gegenstände flogen mit LRB durch den Raum, wirbelten in immer kleiner werdenden Kreisen auf ein schwarzes Nichts zu, welches sich auf einmal anstelle des Cockpits befand.
Binnen dem Bruchteil einer Sekunde waren alle Gegenstände um ihn herum verschwunden, auch das Shuttle. LRB glaubte zu schweben und gleichzeitig irgendwo festzustecken.
Nun gut, er wog zwei, drei Pfund mehr als das Standardmaß, aber er war immerhin auch eine galaxieweite Berühmtheit. Da durfte man auch schon mal etwas aus dem Rahmen fallen.
Apropos fallen, jetzt fühlte es sich wie ein freier Fall an, nein sogar schneller als das. Ganz so, als hätte er die Schallmauer bereits mehrfach durchbrochen. Also nicht, dass er so etwas schon mal gefühlt hätte, aber er glaubte, so müsse es sich anfühlen!
Bei allen explodierenden Sternen!
LRB schaut an sich herunter, sein Körper schien auf hunderte Lichtjahre Länge gezogen worden zu sein! Ihn umfing dermaßen gleisende Dunkelheit, dass er seine Augen schließen musste.
Und danach war nichts mehr.
LRB verlor entweder das Bewusstsein oder nur die Erinnerung.
Als er wieder irgendetwas wahrnahm, war er zurück auf der Erde. Also er vermutete, dass das die Erde war.
Er befand sich auf eigenartigem grünen Zeug. Es fühlte sich kühl an, obwohl es warm um ihn herum war. LRB sah hoch über sich die Sonne am Zenit stehen, in einem wolkenfreien, blauen Himmel. So hatte er den Himmel noch nie gesehen!
„Alter, wer bist du denn?“, raunzte ein verpickeltes Bürschchen LRB an. „Und what the fuck machst du auf unserem Rasen?“
„Maximus, du sollst höflich bleiben!“, ertönte sofort eine wohlklingende, weibliche Stimme und eine wunderschöne Rothaarige tauchte hinter dem Kerlchen auf.
„Hi, ich bin Karina, und wer sind Sie?“, stellte sich die Frau vor.
„Ich bin DJ LRB und eigentlich wollte ich gerade zum Mars. Ich habe keine…“, ein schallend lautes Gelächter, welches dem verpickelten Bürschchen gar nicht zuzutrauen gewesen wäre, unterbrach LRBs Redefluss.
„Unterwegs zum Mars?“, prustete Maximus los. „Alter, unterwegs zum Mars! Was ein Hohlkoffer!“
Karina wandte lediglich kurz ihr Gesicht in Richtung ihres Sohnes, und dieser verstummte sofort.
Vermutlich hatte sie die Augenbraue nach oben gezogen, so hatte seine Mutter ihn immer zum Schweigen gebracht, schoss es LRB durch den Kopf.
„So, Sie sind DJ? Wie mein Mann.“, sprach ihn die Rothaarige erneut an. „Wie kommen Sie denn dann hierher?“
„Das weiß ich ehrlich gesagt nicht.“, gestand LRB leise. „Ich weiß weder wo ich bin, noch wann ich bin.“
Karina schwieg und musterte den Fremden von oben bis unten. „Okay, kommen Sie erst einmal mit ins Haus. Bei einem Kaffee lässt es sich alles leichter bereden.“, sagte sie letztlich.
Mühsam erhob sich LRB. Sein ganzer Körper schien zu schmerzen. Kurz bevor er in das eigenartige Gebilde, was diese Frau Haus genannt hatte, trat, fragte er: „Was ist eigentlich ein Kaffee?“
Im Haus erwartete LRB Karinas Ehemann, welcher wohl seinen Namen Silvio hasste, zu mindestens flüsterte Karina ihm das zu, und die Tochter Lillo.
Beide saßen vor einem schmalen zweitgeteilten viereckigen Ding, welches sie Laptop nannten und hatten gebogene Teile auf dem Kopf, welche in runden dicken Scheiben auf ihren Ohren endeten.
„Super, super, super, sicher!“, brüllte Lillo auf einmal auf. Es klang fast wie ein Rhythmus, allerdings hatte LRB so etwas noch nie gehört.
„Schließfächer!“, sagte der ebenfalls mit ins Haus gekommene Maximus Augen rollend, ganz so als müsste LRB verstehen, was nun wieder diese Schließfächer wären. „So Alter, ich mach mich los!“, meinte Maximus noch und verschwand.
Erschöpft setzte LRB sich auf einen Stuhl, so nannte Karina das ziemlich weich gepolsterte Etwas, was sie in der Küche an einem Tisch hervorzog. Ihm schwirrte der Kopf von den vielen unbekannten Worten und den vielen unbekannten Dingen. Das meiste davon gab es in seiner Zeit nicht!
In seiner Zeit? Moment, das war etwas, was er klären konnte.
Karina stellte ihm gerade ein Gefäß mit flüssigem Inhalt vor die Nase und meinte er solle sich seinen Kaffee schmecken lassen. Dieses hellbraune Gebräu hatte einen wundervollen aromatischen Geruch. Als er die Tasse berührte, merkte er, dass die Flüssigkeit heiß war. Vorsichtig nippte LRB an seinem „Kaffee“.
Und er wurde augenblicklich zum Fan! Bei allen explodierenden Sternen! Das Beste, was er je getrunken hatte!
„Was bedeutet dieses Alter und das What the irgendwas? Und was sind Schließfächer?“, begann LRB Karina zu fragen, sobald seine Lebensgeister wiedererwacht waren. Nach einem kurzen Blick auf das leere Gefäß vor ihm, fragte er noch: „Und was ist Kaffee, ich fühle mich zum ersten Mal seit Jahren richtig wach!?“
Karina lachte sanft auf. Und ihre folgenden Worte machten LRB sprachlos.
Sie befanden sich in einem kleinen Ort, dessen Namen ihm unaussprechlich vorkam, in einem Land, was immer Länder waren, namens Deutschland und sie schrieben das Jahr 2023.
ZWEITAUSEND JAHRE!
Das war zweitausend Jahre, bevor LRB überhaupt geboren wurde.
Schließfächer war ein Lied und bedeutete auch noch irgendetwas anderes, Alter war ein Spruch und gehörte zur Umgangssprache und Kaffee war eine Art natürliches Aufputschmittel, was auch immer ein Aufputschmittel sein mochte.
Während Karina ihrem ungewöhnlichen Gast alles Mögliche zu erklären versuchte, gesellte sich Lillo zu ihnen. Sie hatte das eigenartige Gebilde von ihrem Kopf genommen und legte es vor sich auf den Tisch. Das wären Kopfhörer.
LRB fühlte sich völlig überfordert.
Nach weiteren Tassen Kaffee und langen ermüdenden Gesprächen gesellte sich auch Silvio zu ihnen. LRB erzählte gerade über sein Leben und den geplanten Hyper-Gig.
„Papa, er kennt Schließfächer nicht!“, flüsterte Lillo irgendwann ihrem Vater zu.
Binnen kürzester Zeit fand LRB sich an dem Laptop wieder und hatte diese Kopfhörer von Lillo auf dem Kopf, welche sie zuvor an seinen Kopf angepasst hatten.
Beste Erfindung, galaxieweit!
Und auf einmal explodierten LRBs Synapsen. Eigenartigste Klänge schallten in seinem Kopf. Solch einen Sound hatte er noch nie gehört. So etwas liebte man sofort oder hasste es für immer!
„Mehr! Lass mich mehr hören!“, brüllte er Silvio zu. Und die beiden Männer verloren sich regelrecht mit ihrer Musik in Zeit und Raum.
Irgendwann holte Silvio noch ein Getränk, was er Zitronencola getauft hatte und was LRB regelrecht abheben ließ. Da wäre Alkohol dran, viel Alkohol, erklärte Silvio. Was auch immer Alkohol war, LRB wollte mehr davon!
Alkohol, beste Erfindung, galaxieweit!
Später führte der ewig nörgelnde Maximus LRB in den Zauber des Rap und Hiphop ein und Karina hatte bezaubernde Klänge des Rock, Heavy Metal und des Punk für ihn herausgesucht.
Und am Abend, der Tag neigte sich bereits dem Ende, kam die entzückende Lillo mit klassischer Musik.
LRB glaubte sich im Musiker-Walhalla zu befinden. Dieses breite Spektrum an Instrumenten und Klängen hatte er niemals zuvor auch nur erahnen können. Die sphärischen Klänge seiner Zeit entsprangen einem kleinen Gerät, welches diese sowohl herstellte als auch galaxieweit übertragen konnte.
„Am besten gefiel mir dieses Utz-Utz von Silvio!“, erklärte LRB gerade Karina, welche ihm liebenswürdigerweise ein Gästebett zur Verfügung gestellt hatte. Nach den überwältigenden Eindrücken des vergangenen Tages benötigte LRB auch keine Dream-Collection um zur Ruhe zu kommen. Mit diesem Sound würden Eric, Chris und er beim Hyper-Gig die Musikwelt auf den Kopf stellen, war sein letzter Gedanke, bevor er in einen traumlosen Schlaf fiel.

„Elle Arre Bihe? … Elle Arre Bihe? … Elle Arre Bihe? …“, die Stimme des Piloten schien immer lauter und durchdringender zu werden. LRB glaubte gar eine Ohrfeige zu spüren, kurz bevor er die Augen aufschlug.
„ELLE ARRE BIHE!“, rief der Pilot erleichtert auf. „Due umegekippte! Warume due nichte schlafene? Wir gefloge durche schwarze Loche, due hättene schlafene mussen!“
LRB richtete sich kurz auf und sah sich um. Er befand sich kurz vor dem Cockpit des Raumshuttles, halb liegend. Das teilweise unverständliche Gebrabbel des Piloten summte an seinem Gehör vorbei. Schwarzes Loch?
Richtig, er hatte die Zwei-Tages-Route genommen, durch das Bendzko- Loch. Das hatte er in seiner Müdigkeit völlig vergessen und die Shuttle-Crew hatte ihn beim Frühstück auch nicht noch mal erinnert. Und wenn man durch ein schwarzes Loch flog, sollte man sich im Schlaf-Modus befinden…

Als LRB zehn Tage später in sein Shuttle zur Erde stieg, empfing ihn der Pilot des Hinfluges absolut euphorisch. Der Hyper-Gig wäre galaxieweit das größte und beste Event aller Zeiten gewesen und diese neuen Musikstile, die Eric Nitro, Chris Düsentrieb und er gebracht hatten wären so übernatürlich schön gewesen!
LRB schmunzelte in sich hinein, er hatte stundenlang in den Archiven der Erde gesucht, bis er endlich die Musik aus seinem Trip in die Vergangenheit gefunden hatte. Eric und Chris hatten ihn für verrückt erklärt, denn alles was man länger als ein paar Sekunden suchen musste, galt in dieser Zeit als nicht findenswert.
Das Grinsen auf LRBs Gesicht wurde noch breiter, als er sich an Chris und Erics Reaktion auf die Musik von 2023 erinnerte. Ein Schock beschrieb es nicht wirklich.
Binnen kürzester Zeit planten die drei ihren Hyper-Gig um und nannten ihn „Back to 2023!“.
Und die Reaktionen waren überwältigend.
Mit ca. 10 Milliarden Zuhörern hatten die Veranstalter gerechnet, doch bereits am zweiten Tag schalteten 1.000 Milliarden Menschen den Hyper-Gig ein.
Teilweise versagte sogar die Technik, weil noch nie jemand mit solch einer Zuhörerzahl übertragen hatte!
Der Pilot des Shuttles sprach wieder ohne Punkt und Komma. Er schwärmte vom Hyper-Gig und den drei DJs. Doch eine Frage hätte er noch.
Was, bitte schön, sind Schließfächer?

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