Sicherlich wirst du, wenn du die nächsten Zeilen liest, glauben, Mitleid für mich empfinden zu müssen.
Das musst du nicht!
Auch wenn die Ehe zwischen Anthony und mir als arrangierte Verbindung begann, so sind wir uns doch sehr zugetan. Wir lieben einander sehr!
Und wegen dieser Liebe zu ihm, MUSS ich diesen Schritt wählen!
Diese Schmach und die zu erwartende gesellschaftliche Ächtung kann ich weder ihm noch unserem ungeborenen Kind antun!
Der Freitod ist und bleibt ein Sakrileg, doch leider auch meine einzige Wahl!
Vielleicht verstehst du meine Entscheidung, nachdem du meine ganze Geschichte gelesen hast.
Mein geliebter Anthony ist aufgrund seiner Arbeit oftmals abwesend. Selbstverständlich sorgt er für meinen Schutz, allerdings weiß er nicht, dass er dabei dem falschen Menschen sein Vertrauen schenkt.
Sein Adjutant soll mir jeden Wunsch von den Augen ablesen und mich nicht aus den seinigen lassen.
Doch genau das hat mein Leid verursacht.
Als ich erfuhr, dass ich Anthonys Kind in mir trage, war dies der wundervollste Tag in meinem Leben. Leider endete er als Beginn meines Martyriums.
Edward ist nicht nur der Adjutant meines Gatten. Dieser Mann, mit dem zerstörten Gesicht, ist dessen Jugendfreund Lord Edward Clark.
In einem Gefecht war Edward schwer verwundet worden und seine Familie wähnte ihn gefallen. Doch Anthony hatte ihn gefunden und gesund gepflegt. Nun zogen sich dicke Narben über Edwards Stirn und Wangen und überall über seinen Leib. Er, der einst als schönster Mann des Regiments galt, sah ein unförmiges, nicht wieder zu erkennendes Gesicht im Spiegel.
So brach Edward mit seinem alten Leben und bat Anthony um den Posten als dessen Adjutant.
Anthony versuchte oftmals den Freund zu überreden, in sein altes Leben zurückzukehren. Doch dieser wiegelte immer ab.
Ich wusste nicht, dass Edward heimlich in mich verliebt war. Ich wusste auch nicht, dass ich ihm eigentlich versprochen gewesen war. Doch durch seinen angeblichen Tod, wurde diese Verbindung gelöst.
Als ich nun Anthony wegen einem von meinen Eltern provozierten Skandals heiraten musste, kam ich mit Edward in einen Hausstand.
Eifersüchtig betrachtete er das aufkeimende Glück von Anthony und mir. Und als wir letztlich in Liebe zueinanderkamen, begann Edward Rachepläne zu schmieden.
An dem Tag als ich erfuhr, dass ich Anthonys und mein Kind trug, war mein Gatte beruflich unterwegs. Ich vertraute mich meiner Freundin Lady Gretchen an. Immerhin bin ich nicht mehr die Jüngste und nun Erstgebärend?
Edward belauschte uns.
Er hörte uns lachend Pläne schmieden.
Er hörte uns Kindernamen auswählen.
Er hörte, wie meine liebe Gretchen mich beruhigte.
Als ich an diesem Abend zu Bett ging, verfiel ich in einen unruhigen Schlaf. Irgendwann spürte ich, dass sich noch jemand mit in meinem Schlafgemach befand. Bevor ich um Hilfe rufen konnte, wurde ich mit Äther betäubt.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, erfasste mich ein unbändiges Grauen.
Mein Körper war geschändet worden. Überall fand ich Kratz- und Bissspuren und ich war an Stellen wund, welche nur im Beischlaf erreicht werden konnten. Außerdem entströmte mir der „Beweis“ nach dem Aufstehen.
Liebe zukünftige Braut meines geliebten Anthonys. Leider kann ich dir diese grausigen Details nicht ersparen, damit du meinen Entschluss verstehst.
Damit du verstehst, warum ich keine andere Wahl habe.
Ich entschied mich Anthony gegenüber zu schweigen, denn ich wusste nicht einmal, wer dieses Monster war!
Eine Woche später, geschah dasselbe erneut. Und danach in immer kürzeren Abständen.
Eines Abends vergaß Edward das Äther zu benutzen, vielleicht tat er es auch mit voller Absicht. Er schändete mich auf brutale Weise, denn ich wehrte mich heftig. In den von mir benutzten Kampftechniken unterwies mich mein Bruder. Jedoch genügte dies nicht gegen einen kräftigen, gut ausgebildeten Soldaten anzukommen.
Nach der Tat schlang er meine Haare um seine Hand, zog mein Gesicht direkt ans seines und erklärte mir, dass er eigentlich mein Gatte hätte werden sollen. Er würde sich bloß holen, was ihm zustände. Außerdem könne ich nun ja nicht mehr schwanger werden, deswegen habe er so lange gewartet.
Die weiteren ekelhaften Details lasse ich nun lieber doch aus.
Er drohte mir. Er würde jedem erzählen, dass ich freiwillig sein Liebchen geworden wäre und da er sich als Lord Clark zu erkennen geben wollte…
Nun ja, du wirst es dir denken können, was dann geschehen würde.
Edward zwang mich wieder und wieder, bei ihm zu liegen.
Abscheulicheres gibt es auf dieser Erde nicht!
Nun bin ich am Ende meiner Kräfte. Ich hatte gehofft, dass ich noch die Geburt abwarten kann. Jedoch ließ sich Edward eine neue Teufelei einfallen.
Er würde eidesstattlich behaupten, das Kind, welches ich unter dem Herzen trage, wäre von ihm.
Liebe zukünftige Braut. Ich habe drei Wünsche an dich.
Liebe meinen Anthony von ganzem Herzen, denn er ist es wert.
Schütze dich vor Edward, du sollst nicht mein Schicksal erleiden.
Zeige diesen Brief niemals Anthony. Er würde Edward töten und dadurch für immer verbannt!
Vergib mir törichten Frau, ich weiß, dass ich Anthony mit meiner Tat zerstören werde, aber ich weiß keinen anderen Ausweg.
In Liebe, du mir Unbekannte!
Der Umschlag, in welchem, sich diese Zeilen befunden hatten, war zerknittert und mehr als einmal geöffnet worden.
Mit derselben klaren Handschrift, wie in diesem Brief, hatte die Verfasserin darauf geschrieben:
Für die zukünftige Lady Anthony Gadwington.
Die zukünftige Lady Gadwington sah zu Lord Anthony.
„Euer Jugendfreund Edward gilt endgültig als verschollen?“, fragte sie.
„Ja, endgültig.“, bestätigte dieser mit einem knappen Nicken und versteinertem Gesicht.
„Gut.“, antwortete Lady Sherly.