Vorgaben:
- Hundebesitzerin sucht aus gesundheitlichen Gründen neue Pflegeeltern für ihre Hündin
- weihnachtlich
Eigentlich bin ich kein Mensch, der noch Zeitungen in Papierformat liest, aber da auf Arbeit unsere Computer mal wieder nicht funktionierten, borgte ich mir die Ausgabe meiner Kollegin, um die Langeweile zu bekämpfen.
Eine Annonce fiel mir sofort ins Auge, sie trug die Überschrift: Suche liebevollen, menschlichen Nachfolger.
Eine Frau suchte nach einem liebevollen Zuhause für ihren kleinen Mischlingshund, welchen sie selbst aus gesundheitlichen Gründen abgeben musste. Meist war das ja so eine typische Chiffre für: ich hab keinen Bock mehr auf das Tier oder ich bin überfordert…
So blätterte ich weiter und als die Information kam, die Technik geht wieder, startete ich den normalen weiteren Tagesablauf.
Nach Feierabend fuhr ich nach Hause zu meinem Mann Günther und meinen beiden Kindern Max und Fred. In einer idealen Welt säßen wir gemeinsam beim Abendbrot und würden uns von unserem Tag erzählen, doch wie in jeder anderen Familie, war diese ideale Welt nur selten existent. Wenn ich ehrlich war, saß mein Günther lieber in seinem Hobbykeller und bastelte an irgendetwas, was niemand wirklich brauchte. Max hockte an seinem Spielecomputer und zockte mit irgendwelchen Online-Freunden und Fred sah fern. Die neue Staffel seiner Lieblingsserie war gerade auf einem der vielen Streaming-Dienste, deren Namen ich nicht mal mehr kannte, veröffentlicht worden. Damit meine drei Männer wenigstens etwas Ordentliches zum Abendessen bekamen, stapelte ich auf drei Tellern ein paar belegte Brote und schnippelte diverse Obst- und Gemüsescheiben darum. Danach spielte ich noch Lieferservice und erinnerte jeden einzelnen an seine heute noch zu erledigenden Aufgaben, welche von Hausaufgaben über Müll wegschaffen bis zum Ausräumen des Geschirrspülers reichten.
Als ich dann allein in unserer Küche in mein belegtes Brot und meinen eingeschnittenen Apfel biss, fiel mir die Überschrift der Annonce wieder ein: Suche liebevollen, menschlichen Nachfolger.
Eigentlich eine sehr traurige Geschichte, wenn da jemand seinen Hund nicht „nur“ los werden wollte…
Fast roboterartig erledigte ich meine Hausarbeiten, während ich immer noch über die Zeitungsanzeige grübelte. Natürlich brachte ich den Müll weg, den Geschirrspüler räumte ich aus, wieder ein und aktivierte ihn, ich putzte die Küche und das Bad, der Rest der Wohnung war erst am Freitagabend dran und danach setzte ich mich erschöpft ins Wohnzimmer und schlief bei den Nachrichten ein.
Wie jeden Abend weckte mich Günther dann gegen 10 Uhr, als er den Ausgang aus seinem Hobbykeller doch noch gefunden hatte, inklusive Meckerns, warum ich schlief und unsere Jungs noch nicht.
Doch aus irgendeinem Grund ließ ich Günther heute schimpfen, ohne zu antworten, stand auf, ging ins Badezimmer, um Zähne zu putzen und danach ins Bett zu gehen. Sollte er doch mal die Diskussion mit den Jungs führen, ich war einfach nur müde…
Günther sah mir verwundert hinterher.
Als ich aus dem Badezimmer kam, versuchte er erneut, einen Streit vom Zaun zu brechen. Ich schaute ihn nur kurz an und sagte, „Gute Nacht.“, bevor ich im gemeinsamen Schlafzimmer verschwand.
Das allabendliche Gezeter meiner Kinder hörte ich schon nicht mehr, als Günther ihnen sagte, sie sollten nun endlich ins Bett gehen. Ich träumte bereits von einer kleinen gefleckten Mischlings-Hündin, die Flöckchen hieß.
„Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass sich noch jemand auf meine Annonce meldet!“, erklärte mir die weißhaarige ältere Dame, während sie ihre geblümte Teetasse aus zartem Meißner Porzellan an den Mund führte. Der Kräutertee verströmte einen heimeligen Duft, so dass man sich sofort geborgen fühlte. Frau Kirchheimer, so hieß die Dame, war die Inseratin der Annonce Suche liebevollen, menschlichen Nachfolger. Zu ihren Füßen lag eine kleine Mischlingshündin, deren Fell so hell wie das Haar ihrer Besitzerin war, bis auf einige dunkle Flecken, welche aufgrund ihrer Position die ohnehin schon süße Hündin noch niedlicher erscheinen ließ. Ein dunkler Fleck um die Schnauze, einer zwischen den Ohren, drei am Schwanz, zwei gefleckte Vorderpfoten und das waren nur die auf den ersten Blick sichtbaren.
Flöckchen hatte mich beim Eintreten in die Wohnung von Frau Kirchheimer genau beäugt und beschnüffelt. Und während ihre Besitzerin den Tee aufbrühte, ließ die Hündin sich von mir zwischen den Ohren graulen. Danach nahm sie hoheitsvoll zu Füßen von Frau Kirchheimer Platz, um sich ein wenig später tiefenentspannt hinzulegen.
Frau Kirchheimers warme Stimme klang durch den Raum. Sie erzählte von ihrem verstorbenen Mann und dass es ihnen verwehrt geblieben war, eigene Kinder zu bekommen. Sie sprach über die schwere Zeit seiner Krankheit und die noch schlimmere Zeit nach seinem Verlust. „Wir nehmen unsere geliebten Menschen leider durch unseren stressigen Alltag als selbstverständlich wahr, bis es zu spät ist. Die Arbeit, der Haushalt, das soziale Umfeld, alles fordert seinen Tribut und lässt uns unsensibel werden für unseren eigenen Bedürfnisse und die der geliebten Menschen.“, schloss sie ihren Monolog ab. Danach schenkte sie mir noch einen Tee nach und sah mich an.
Wie auf Kommando erhob sich Flöckchen und sprang direkt neben mich auf das Sofa. Erwartungsvoll versuchte sie, ihren Kopf unter meine Hand zu schieben.
Frau Kirchheimer lachte kurz auf, um gleich darauf schwer hustend abzubrechen.
Flöckchen sprang sofort zu ihrer Herrin und kuschelte sich beschützend an deren Beine. Mein Hilfsangebot wehrte Frau Kirchheimer kopfschüttelnd ab und versuchte es lieber mit einigen winzigen Schlucken Tee.
Nachdem sich der Hustenanfall der alten Dame beruhigt hatte, erklärte sie mir, dass Flöckchen genau wusste, dass sie nicht aufs Sofa durfte, mich aber zu mögen schien, da sie sich von mir streicheln lassen wollte.
„Ich habe Krebs.“, erklärte Frau Kirchheimer nach einer weiteren Atempause. „Lunge. Die Ärzte meinen leider, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt. Auf alle Fälle weniger Lebenszeit, als Flöckchen noch hat.“
„Darf ich fragen…“, ich wusste selbst nicht, wie ich das Thema ansprechen sollte, ohne das es zu neugierig klang. Ich räusperte mich kurz. „Flöckchen scheint ein sehr lieber, folgsamer Hund zu sein, wieso finden Sie Niemanden für sie?“
Schmunzelnd streichelte Frau Kirchheimer ihrer Hündin über das Fell.
„Sie müssen wissen, Flöckchen ist sehr wählerisch. Sie sucht sich ihre Besitzer selbst aus.“
Die alte Dame erzählte mir, dass vor 5 Jahren, als ihr Mann schon sehr von seiner Krankheit gezeichnet war, die Beiden spazieren gingen. Sie liebten die Route durch den Kräuter-Park, welcher zu jeder Jahreszeit einen anderen Geruch verbreitete. Irgendwann einmal hatte jemand mitten auf einer brachliegenden, ungepflegten Wiese Rosmarin angebaut und im Laufe der letzten dreißig Jahre hatten sich daraus gepflegte Kräuterbeete, befestigte Wege, Hundewiesen und Grünflächen entwickelt.
Am Ende des Parks, aus einem unverschnittenen Rhododendron-Busch, hörte das Ehepaar herzzerreißende Winsellaute. Und als sie nachsahen, fanden sie einen verschimmelten Karton, in welchem drei Hundewelpen erbärmlich froren. Sie waren höchstens zwei, drei Tage alt. Herr Kirchheimer nahm sofort den Karton und stürmte zum Ausgang des Parks. Die Tiere mussten schnellstmöglich medizinisch versorgt werden.
Warum Frau Kirchheimer stehenblieb, konnte sie bis heute nicht sagen. So hörte sie ein leises Fiepen. Als sie nachschaute, fand sie einen vierten Welpen, Flöckchen. Die kleine Hündin zitterte am ganzen Leib, so dass Frau Kirchheimer sie sofort in ihre Jacke steckte, um sie zu wärmen. Langsam folgte sie ihrem Mann, um die kostbare Fracht nicht zu erschrecken. Sie spürte, wie das Zittern der jungen Hündin allmählich nachließ. Irgendwann glaubte sie eine leichte Berührung zu spüren, ganz so, als würde der Welpe über ihre Haut lecken.
Herr und Frau Kirchheimer brachten die Hunde ins nächste Tierheim und alle erholten sich wie durch ein Wunder vollständig. In so jungem Alter von der Mutter getrennt zu werden, bedeute eigentlich fast immer schwere gesundheitliche Schäden für die Tiere.
Nach drei Monaten meldete sich das Tierheim bei den Kirchheimers um ihnen mitzuteilen, dass alle Tiere vermittelt werden konnten, alle, bis auf Flöckchen.
Nach ein paar Tagen gutem Zureden, konnte Frau Kirchheimer ihren Mann überzeugen, die kleine Hündin zu besuchen.
Flöckchen lag apathisch in ihrem Käfig und machte einen zerzausten Eindruck. Dass sie so keine Adoptiveltern fand, war nun wirklich nicht verwunderlich.
Frau Kirchheimer trat an den Zwinger und ging, sich an den Gitterstäben festhaltend, in die Hocke. Dann sprach sie die Hündin leise an. Binnen weniger Augenblicke stand Flöckchen am Gitter und leckte ihrer Retterin die Hände.
„Sie erkennt mich wieder!“, lachte Frau Kirchheimer leise auf.
In den nächsten Wochen besuchte die alte Dame die kleine Hündin so oft sie konnte.
Leider verschlechterte sich der Zustand von Herr Kirchheimer immer mehr und Frau Kirchheimer musste ihn letztlich drei Wochen vor Weihnachten ins Krankenhaus einliefern lassen.
Zwei Tage vor Weihnachten verstarb Herr Kirchheimer und als Frau Kirchheimer einen Tag später Trost in einem Besuch bei Flöckchen suchen wollte, war diese nicht mehr in ihrem Zwinger. Vermittelt, stand groß auf ihrem Namen am Käfig.
Als es dann bei Frau Kirchheimer am Weihnachtsmorgen an der Wohnungstür klingelte, öffnete sie diese zutiefst traurig.
Ein junger Mann stand vor der Tür und hielt ein zappelndes und bellendes Flöckchen in einem ihrer eigenen Schals gehüllt.
„Guten Tag, sind Sie Frau Kirchheimer?“, hob der junge Mann an zu sprechen.
Wie sich herausstellte, hatte Herr Kirchheimer Flöckchen adoptiert und wollte die junge Hündin seiner Frau zu Weihnachten schenken. Damit der Hund aber auch mitkommen würde, hatte er einen Schal seiner Frau entwendet, damit der Geruch das Tier beruhigte.
Im Laufe des Vormittags wurden noch ein Hundebett, diverse Leinen, Fressnäpfe, Hundefutter, Hundespielzeuge und allerlei andere Sachen für Flöckchen geliefert.
Die kleine Hündin half ihrer neuen Besitzerin durch ihr erstes alleiniges Weihnachtsfest, denn die letzten 52 Jahre hatte sie Weihnachten immer mit Herrn Kirchheimer gefeiert.
Und im Laufe der folgenden fünf Jahre zeigte sich, dass Flöckchen sehr wählerisch war, was die Menschen in ihrem Leben anging. Sie biss niemanden, sie bellte auch höchst selten. Sie ignorierte die Menschen, welche sie nicht mochte, einfach. Dies hatten auch diverse Interessenten der Annonce Suche liebevollen, menschlichen Nachfolger zu spüren bekommen.
Ich hatte die Anzeige damals tatsächlich vergessen, bis sie mir Wochen später beim Aufräumen meines Schreibtisches wieder in die Hände fiel. Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich die Zeitung weggeworfen hatte. Aber sie lag sogar so gefaltet, dass man sofort die Annonce sah.
Ich weiß bis heute nicht, warum, aber ich setzte mich sofort hin und antwortete auf das Inserat. Und nun saß ich, sieben Wochen vor Weihnachten, in der gemütlichen Wohnstube einer schwerkranken Frau und schaute mir Flöckchen an, welche ich vielleicht zusätzlich zu meinem großen und meinen zwei kleinen Kindern noch versorgen wollte.
Frau Kirchheimer und ich sprachen lange an diesem Tag miteinander und wir vereinbarten, dass Flöckchen erst einmal meine „Männer“ bei einem „Probebesuch“ kennenlernen sollte.
Die süße Hündin wickelte zuerst Günther um ihre kleine Hundepfote, der vergaß vor lauter Entzücken an diesem Abend sogar, in seinen Hobbykeller zu gehen. Max ließ wegen Flöckchen seine Online-Freunde bei einer epischen Schlacht im Stich und Fred lachte über das verschmuste Tier, welches als erstes seine Fernsehfernbedienung vom Bett warf.
Regelrecht unglücklich verabschiedeten sich meine Männer von Flöckchen, als ich sie zu Frau Kirchheimer zurückbrachte.
Danach saßen wir zum ersten Mal seit vielen Wochen wieder gemeinsam beim Abendessen. Der Familienrat tagte über den Hund. Welche Aufgaben würden auf uns zukommen, was für Kosten könnten entstehen, wo sollte die Hündin Platz finden.
Ein großes Stück weit befürchtete ich, dass nach einer anfänglichen Euphorie die ganze Arbeit an mir hängenbleiben würde. Meine Männer verneinten das natürlich vehement, doch ich hatte da eher ein ungutes Gefühl.
Letztlich vereinbarten wir mit Frau Kirchheimer, dass wir Flöckchen probetageweise zu uns holten.
Max und Fred legten sich jedes Mal voll ins Zeug. Erst stritten sie darum, wer mit Flöckchen Gassi gehen durfte, um dann letzten Endes beide zu gehen. Und wenn sie dann teilweise Stunden später wieder kamen, lachten und scherzten sie gemeinsam und erzählten mir und Günther am Abendbrottisch, was sie alles auf der Hunderunde erlebt hatten.
Erstaunt sah ich mir meine Söhne an, welche trotz Schneematsch und eisigem Wetter freiwillig nach draußen gingen.
Nach ihrem anstrengendem Tag legte sich Flöckchen dann meist neben Günther aufs das Sofa, welcher sie sanft streichelte und darüber seine Basteleien vergaß.
In der Zwischenzeit halfen mir die Jungs in der Küche und erzählten mir, wer diesmal die Hinterlassenschaften Flöckchens beseitigt hatte.
Ich erkannte meine Familie kaum wieder. Ich musste sie an keine Aufgaben mehr erinnern, sie verbrachten, auch wenn die Hündin nicht bei uns war, Zeit miteinander und mit mir und auch beim Schlafen gehen gab es kein Murren mehr.
Frau Kirchheimer besuchte uns eines Tages, gemeinsam mit ihrer Hündin. Und auch die alte Dame „adoptierten“ meine Männer sofort.
Völlig vom Glauben fiel ich ab, als ich eines Nachmittags von Arbeit kam und Frau Kirchheimer mit meinen Männern plätzchenbackend in unserer Küche vorfand. Günther hatte sich extra frei genommen, für den heutigen Tag. Sie backten für den ersten Advent, war ihre Begrüßung, als ich völlig sprachlos vor ihnen stand. Selbst an Leberwurstplätzchen für Flöckchen hatten die vier gedacht!
Als ich in unser Wohnzimmer ging, erwartete mich die nächste Überraschung. Die vier hatten alles weihnachtlich geschmückt und eine Vase mit frisch geschnittenem Tannengrün stand in der Mitte unseres gedeckten Esstisches.
So genossen wir gemeinsam einen Teil der noch lauwarmen Plätzchen und heißen Kakao und verbrachten einen wundervollen Abend, bis wir Frau Kirchheimer und Flöckchen zurück nach Hause brachten.
Von da an waren Frau Kirchheimer und Flöckchen fast jeden zweiten Nachmittag bei uns. Siggi, eigentlich hieß sie ja Sieglinde, aber Siggi hatte sie ihr Mann immer genannt, wurde so zu unserer Adoptivoma.
Siggi blühte regelrecht auf. Ihr gesundheitlicher Zustand ließ es an manchen Tagen sogar zu, mit Max, Fred und Flöckchen im Park spazieren zu gehen. Natürlich nur, wenn die Wege beräumt waren.
Wir verbrachten so oft wie möglich unsere Zeit gemeinsam, selbst wenn Flöckchen nicht bei uns war. Max war der Computer-AG seiner Schule beigetreten und fand langsam neue, reale Freunde. Fred fand Gefallen an der Schauspiel-AG und diese übte bereits für einen großen Auftritt im kommenden Jahr, bei welchem mein Jüngster eine der Hauptrollen spielen sollte. Günther und ich verbrachten seit neuestem wieder die Abende miteinander. Mal gingen wir ins Kino oder nur zu zweit Essen. Siggi passte derweil gern auf die Jungs auf. Und auch wenn es fast ein wenig peinlich ist, aber selbst unser „Eheleben“ bekam neuen Schwung.
Unser Leben wandelte sich gehörig. An manchen Tagen konnte ich sogar vergessen, warum ich Siggi und Flöckchen überhaupt kennengelernt hatte. Doch kurz vor Weihnachten holte uns die Wirklichkeit wieder ein.
Siggi stürzte auf dem Weg zu uns schwer, da ein Anwohner seine Gehwege nicht gestreut hatte und die Bürgersteige völlig vereist waren.
Unsere Oma musste mit gebrochenem Becken ins Krankenhaus eingeliefert werden, zwei Tage vor Weihnachten.
Ich brachte das völlig aufgelöste Flöckchen zu uns nach Hause und bat die Jungs sich um die Hündin zu kümmern. Schluchzend lief mir Fred hinterher, als ich die Wohnung verlassen wollte, um Siggi im Krankenhaus zu besuchen.
„Was passiert jetzt mit Omchen Siggi?“, wollte mein Jüngster tränenüberströmt wissen. „Muss sie jetzt schon sterben?“
Wie sollte ich das nur beantworten? Ich versuchte ihn zu trösten und ausweichend zu antworten, doch dann kamen auch noch Max und Flöckchen hinzu.
„Ich weiß es nicht.“, sagte ich letztlich zu den Dreien. „Ich weiß es wirklich nicht.“
„Kann man für Siggi beten?“, wollte Max nach einer gefühlten Ewigkeit wissen. „Nun ja, wir sind ja nicht so, meine ich… also in der Kirche und so…“
Unter Tränen lächelnd nahm ich meinen Großen in die Arme. „Natürlich können auch wir beten! Auch wenn wir nicht so sind mit der Kirche…“, erklärte ich ihm.
„Und wenn ich alle meine Weihnachtsgeschenke hergebe.“, schluchzte nun Fred auf. „Also falls sie der Weihnachtsmann wiedernimmt…“. Mein Jüngster glaubte trotz seiner zwölf Jahre immer noch an den Weihnachtsmann, selbst sein großer Bruder hatte ihm diesen Glauben nicht nehmen können.
„Ich gebe meine auch zurück!“, erwiderte Max gleich und die Brüder sahen sich verständnisinnig an.
Irgendwann schaffte ich es, meine Söhne zu beruhigen, und fuhr zum Krankenhaus.
Siggi sollte auf der Geriatrie-Station liegen, doch dort verwies man mich zur Onkologie.
Die schlimmsten Gedanken schossen mir durch den Kopf, als ich Günther in der Onkologie weinend im Gang sitzend vorfand.
Ich konnte keinen Ton herausbringen, sondern meinen Mann nur still umarmen.
„Sie verstehen es nicht, deswegen liegt sie hier.“, stammelte Günther irgendwann.
„Wer versteht was nicht?“, wollte ich sogleich wissen.
„Die Ärzte, sie verstehen es nicht!“, plötzlich fing Günther an zu kichern. Aus dem leisen Kichern wurde ein lautes Glucksen und daraus letzten Endes ein schallendes Lachen.
Dann schnappte mich Günther und tanzte mit mir durch den Gang.
„Sie sind hier in einem Krankenhaus!“, herrschte uns wenige Augenblicke später eine Krankenschwester an. „Benehmen Sie sich gefälligst dementsprechend!“
Günther ließ mich sofort los und drückte der konsternierten Schwester einen lauten Schmatzer auf die Wange. Danach nahm er mich bei der Hand und zog mich zu Siggis Krankenzimmer.
„Die Ärzte können sich nicht erklären, wie das passieren konnte. Sie haben Siggi untersucht und es gibt nicht einmal eine Spur mehr von ihrem Krebs!“, klärte Günther mich nun endlich auf. „Es ist ein Wunder! Ein Weihnachtswunder!“
Und so kamen wir zu Oma Siggi und ihrem Flöckchen.