Robson

Vorgabe:

  • schreibe eine Geschichte über Robson

Sie war sich tausendprozentig sicher, dass sie zeitig genug gebremst und diesen Typen nicht getroffen hatte, und trotzdem lag er neben ihrem Auto.
„He, alles in Ordnung mit Ihnen?“, versuchte sie den Zustand des schlanken, nicht ganz unschnuckeligen Mannes herauszufinden, nachdem sie die Warnblinkanlage aktiviert hatte und zur Beifahrerseite gelaufen war.
Egal, was ihr Bauchgefühl ihr sagte, aber wenn der Mann da lag, dann war irgendetwas passiert und sie musste helfen.
Mit einem schnellen Englisch schwafelte der Fremde los.
Na bravo, sie konnte kaum ein Wort verstehen, immerhin war ihre große Schwester das Sprachgenie und sie nur die kontaktfreudige… stets verunfallende… was hier ja zutraf…
Ähm, verflucht, Wortspielereien halfen jetzt auch nicht…
„I can not schbiek deine Language!”, sie versuchte es mit ihren paar Urlaubssprachbrocken zu richten, doch die Aufregung wegen des Unfalls tat ihr übriges.
Ihr graumeliertes Gegenüber stutze kurz, schmunzelte und richtete sich dann leise stöhnend auf.
In dem Moment übernahm ihr Ersthelfermodus.
„You are okay?“, sie half dem Fremden aufzustehen. „Is was gebrochen, ähm broken?“
Sie riss die Beifahrertür auf. Seine Beine schienen in Ordnung, er sagte irgendetwas von „my hand“.
Na bravo!
Er sollte sich auf den Beifahrersitz setzen, doch er ignorierte die Tür und entschied sich für den Rücksitz.
„I phone the police, okay? And the emergency…“, besser bekam sie es echt nicht hin!
„No, no, not the police!”, wieder setzte ein Schwall Englisch ein, mit dem sie nichts anfangen konnte. Das Einzige, was sie verstand war, keine Polizei, aber ins Krankenhaus. Oder so…
Sie versicherte dem Fremden keine Polizei und das sie ihn zu einem „emergency room“ bringe, manchmal hilft Serien schauen ja doch…
Er lachte wieder kurz auf.
„Sag mal, wie heißt du eigentlich? Your name?“, irgendetwas an dem Mann kam ihr bekannt vor, aber sie wusste wirklich nicht was. Er war schlank, graumeliert, hatte stechend blaue Augen und einen tiefliegenden Haaransatz. Sie schätzte ihn auf Anfang, Mitte 50.
„Mein name is Susann.“, vielleicht brach das das Eis?
„My name ist Robson.”
Nun immerhin etwas.
Vielleicht konnte ihr ihre Schwester Katrin bei der Kommunikation helfen…
Immerhin hatte sie für irgend so einen Schauspieler, den Katrin toll fand, ihr Englisch komplett aufgefrischt. Wie hieß der nur gleich?
Irgendeine Farbe war es…
Purple war es nicht…
Green?
Brown?
Nein, es war was mit G.
Grey! Ja, er hieß Robson Grey!
„Ach du scheiße!“, entfuhr es ihr, bevor sie es unterdrücken konnte.
„Du bist Robson Grey? Der Actor? Das verzeiht mir meine Schwester nie, wenn du ernsthaft verletzt bist!“
Der Mann auf der Rücksitzbank schaute Susann an, als wäre sie irre.
Vermutlich fragte er sich gerade, zu was für einer durchgedrehten Tusse er ins Auto gestiegen war.
Nun ja, ein bisschen geschockt und verzweifelt sah Robson auch aus.
Resigniert rutsche er tiefer auf die Rücksitzbank und schloss erschöpft die Augen.
„Katrin auf dem Handy anrufen!“, befahl Susann auch schon der Freisprechanlage ihres Autos, welche umgehend versuchte die Telefonverbindung herzustellen.
Natürlich kam beim Klingeln erst dieses Lied, welches Susann extrem nervte und den Mann auf der Rückbank überrascht aufblicken ließ.
Kein Wunder, er selbst hatte es schließlich vor fast 30 Jahren mit einem Kollegen gesungen.
„This meine Sister, sie can deine Language!“, versuchte Susann Robson zu erklären.
Als ihre Schwester dann endlich ranging, atmeten vermutlich beide Insassen des Autos innerlich auf.
Robson ließ sogleich einen Schwall englischer Worte los, nachdem Katrin sich meldete, von welchen Susann nicht einmal ein Zehntel verstand.
Ihre große Schwester hörte zu, stellte mehrere Fragen und hörte wieder zu.
Nach einer gefühlten Ewigkeit verstummte Robson.
„Was hast du denn nur diesmal wieder angestellt?“, wollte Katrin dann sofort von Susann wissen.
„Nichts, ehrlich! Der Typ kam aus dem Nichts und ich konnte sogar rechtzeitig bremsen, aber er warf sich neben die Beifahrerseite und da wollte ich helfen.“, versuchte sie ihrer Schwester zu erklären.
„Naja, so ähnlich hat er es mir auch geschildert.“, kam süffisant von Katrin.
„Ähnlich?“, knurrte Susann sie gleich an. Zum Scherzen war ihr nicht zu Mute…
„Komm runter, alles gut. Er hat sich erschrocken und ist deswegen gestürzt. Er macht dir keinen Vorwurf, er meinte auch, er wäre ohne zu schauen über die Straße gegangen.“, erklärte ihr Katrin.
„Bei dem Sturz ist er auf seine Hand gefallen, die tut ihm weh. Er fragte mich auch, ob es dir gut geht. Du wirkst wohl etwas durch den Wind. Geht es dir gut?“
„Oh, Gott sei Dank ist bei ihm sonst alles okay!“, und nach einer kleinen Pause fügte Susann hinzu. „Ja, ja, es geht mir gut. Ich bringe ihn erstmal in ein Krankenhaus. Kannst du in der Nähe von deinem Handy bleiben, falls du noch mal dolmetschen musst?“
Katrin erklärte sich sofort bereit und Susann ließ auch gleich noch die Bombe platzen, um wen es sich bei ihrem Fahrgast handelte. „Ach, sag mal, hat er dir eigentlich seinen Namen gesagt?“, fragte sie ein bisschen hinterhältig. Sie hatte den Namen in der Unterhaltung zwischen den beiden nicht gehört und war sich sicher, Katrin wusste noch nicht, wer ihr Fahrgast war.
„Nein, ist das wichtig?“, ja, ihr große Schwester hasste es zu telefonieren und Susann merkte, sie wollte endlich damit aufhören.
„Och nö, er ist nur irgend so ein Schauspieler. Ich weiß nicht mal, ob du ihn kennst… Robson Grey…“, das Quietschen von Katrin, als sie den Namen des Passagiers wiederholte, ging in Susanns Lachen unter.

Natürlich sagte Susann Katrin, in welches Krankenhaus sie fuhren.
Sie trafen sich vor Ort, damit Katrin als Dolmetscher fungieren konnte.
Der arme Robson war Tatsache während des Telefonats der Schwestern auf der Rücksitzbank eingeschlafen.
Für einen nicht ganz unbekannten englischen Schauspieler, er gehörte wohl zu den 40 beliebtesten Schauspielern Englands, sah er erstaunlich müde aus. Seine Kleider starrten zwar nicht vor Dreck, aber er schien sie schon mindestens den zweiten Tag zu tragen. Der Drei-Tage-Bart machte ihn attraktiv, aber, wenn man seine gesamte Erscheinung bedachte, war dieser vermutlich eher ungewollt gewachsen.
Vielleicht konnte Susanns große Schwester ja später ein wenig Licht in das Dunkel bringen.
„Du, ich muss wirklich los. Mein Chef bringt mich um, wenn ich diese Schulung nicht halte!“, Susann wollte gern Robson bei ihrer Schwester lassen. Immerhin verstand Katrin diesen Typen und war einer seiner größten Fans.
Susann war auf dem Weg zur Arbeit, bei ihrer Begegnung mit Robson, gewesen und ihre Schwester Katrin hatte gerade zwei Wochen Urlaub.
„Naja, wenn er versorgt wurde, zeige ich ihm nur noch den Weg und bin dann auch weg.“, entgegnete Katrin fast resigniert.
„Ach Quatsch!“, Susann rannte die Zeit davon, sie würde es gerade so zum Schulungsbeginn schaffen. „Er redet bestimmt noch etwas mit dir, immerhin hast du ihm irre geholfen. Und vielleicht bekommst du noch ein Autogramm oder ein Selfie!“
Mit einem kurzen Abschiedskuss auf die Wange ließ Susann ihre große Schwester einfach stehen und sah zu, dass sie auf Arbeit kam.

Katrin grinste wie der sprichwörtliche Honigkuchen.
Wo auch immer sie diese Aufnahme her hatte, im Fernsehen war gerade zu sehen zu, wie eine hübsche blonde Moderatorin kundtat: „And the Winner is Robson Grey!“
Die Kamera schwenkte zu dem Schauspieler, welcher freudig die Arme hochriss und sich bedankte.
Danach begann ein Interview zwischen der Moderatorin und Robson, welches immer wieder von diversen Videosequenzen unterbrochen wurde.
Katrin übersetzte alles für ihre kleine Schwester.
In der englischen Fernsehshow „Catch me if you can“ wurden verschiedene britische Prominente in verschiedenen Ländern ausgesetzt und mussten sich binnen 14 Tagen zu einem bestimmten Ziel durchschlagen. Dabei durften ihnen weder ihre Freunde helfen, noch konnten sie ihre eigenen Ressourcen nutzen, wie finanzielle Mittel usw…
Gejagt wurden die Prominenten von engagierten Kopfgeldjägern.
Robson hatte drei Tage nach dem „Aussetzen“ einen kleinen Unfall inszeniert. Er war seinen Verfolgern gerade noch so entwischt und musste den Ort des Geschehens schnellstmöglich verlassen. Deswegen tat er so, als hätte eine Frau ihn angefahren und entkam auf deren Rückbank seinen Jägern. Durch diesen „Zufall“ lernte er die Schwester der Unfallgegnerin kennen, in welcher er eine Verbündete fand.
Nun wurde die Kamera umgeschwenkt und eine Großaufnahme von Katrin im Studio gezeigt.
Sie half Robson sich die folgenden Tage zu verstecken und brachte ihn letztlich an seinen Zielort, erzählte er weiter.
„Und mir erzählst du was von mal ein paar Tage wegfahren…“, lachte Susann auf.
Katrin rettete Robson mehrfach mit ihrem Einfallsreichtum vor den Kopfgeldjägern. Einmal hatte sie Robson sogar als Frau verkleidet.
Katrin mied von vornherein alles was mit Wasser zu tun hatte, da Robson eine sehr bekannte Angelshow moderierte und es nahelag, dass er in bekanntem Terrain Zuflucht suchen würde.
Der Schauspieler nannte Katrin seinen rettenden Engel, denn zu guter Letzt konnte Robson die Show gewinnen und der Erlös aus dem Siegergeld ging an verschiedene wohltätige Stiftungen.
Ja, grinsender Honigkuchen passte zu Katrins derzeitigem Geschichtsausdruck.
Übrigens auch auf dem Selfie mit Robson…

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