Mein geliebter Mensch,
ich bringe es mal gleich auf den Punkt, ich bin total von dir enttäuscht.
Kaum bin ich nicht mehr da, sitzt du trübe auf deinem Sofa rum und befummelst völlig sinnfrei meine Kuscheldecke.
Noch immer stehen meine Fressnäpfe in der Ecke und du stößt dir jedes Mal beim Vorbeilaufen den großen Zeh ein.
Du gehst nicht mehr raus, sondern futterst Wiener Würstchen und Leberwurstsemmeln in dich hinein, ganz so als wäre ich noch da, um sie mit dir zu teilen.
Das und noch so viele andere sinnlose Dinge, hast du dir angewöhnt. Des Wegen schreibe ich dir, um diesem Irrsinn ein Ende zu bereiten.
Als wir beide uns kennenlernten, war ich eine junge, verrückte Hündin. Verrückt im liebevollen Sinne, verrückt im Sinne von, mach, was ich will und alles ist gut.
Ich erinnerte mich jeden Tag meines Lebens an diese Begegnung, selbst als ich alt und gebrechlich war.
Damals war ich noch in meinem alten Rudel und tollte gerade mit meinen Geschwistern. Mein Fell war zwar sowieso schwarz-weiß gefleckt, aber wir hatten im Garten eine Pfütze gefunden und ich war von oben bis unten mit Schlamm bedeckt.
Auf einmal hörte ich, wie das Gartentor aufging, es quietschte immer so komisch, und Stimmen wurden laut.
Mich machte der Klang deiner Stimme von Anfang an neugierig. Da lag so viel Wärme und Liebe darin und ganz viel Lachen.
Du kamst mit meinem ersten Herrchen zu uns und ihr lachtet über uns „Schmutzklumpen“.
Meine Geschwister erschraken und stoben in alle Richtungen, doch ich blieb da.
Dein Geruch war so lecker und dein Lachen so herzlich, mein kleines Hundeherz flog dir in dieser Sekunde zu.
Dann nahmst du mich hoch und unsere Blicke trafen sich.
Liebe auf den ersten Schmutzfleck, hast du es später immer genannt, denn mein Fell war nass und tropfte deine Jeans voll.
Von diesem Tag an begannen wundervolle Jahre.
Unsere täglichen Spaziergänge durch die Stadt, unsere Wochenendausflüge in die Wälder und zu den Seen.
Du hast dich am Anfang krumm und scheckig gelacht, wegen meiner Versuche die Vögel zu jagen, bis ich solange trainiert hatte und dir einen Hasen brachte. Immer nanntest du mich deine Liebe, obwohl ich ja eigentlich Sunny heiße.
Deine Hände streichelten mich immer, deine ruhige Stimme erhob sich nur einmal, als ich deine Lieblingsschuhe „geschreddert“ hatte.
Unsere gemeinsamen Ferien am Meer, wie wir badeten und durch die Wellen tobten.
Unsere Abende vorm Fernseher, wenn ich dir deine Leberwurstbrote klaute.
Wir hatten ein traumhaft schönes Hundeleben gemeinsam.
Selbst als ich alt wurde und du meine Medizin in der Leberwurst versteckt hattest, weil ich sie so nicht essen mochte. Und später als ich zu gebrechlich war, lange Strecken zu laufen, du besorgtest diesen Wagen, um mich zu schieben.
Wir hatten so ein aktives Leben, geprägt von Liebe und Zuneigung.
Und heute, was tust du? Anstelle mich zu ehren und dich an gemeinsame Stunden zu erinnern, ziehst du dich zurück und verbitterst.
Du hast mir versprochen, dich um andere Hunde zu kümmern, wenn ich gegangen bin.
Du hast mir versprochen, ihnen unsere Wege zu zeigen und ihnen von mir zu erzählen.
Das mein Gehen dich schmerzt, weiß ich doch, aber es wird Zeit.
Steh auf und kümmere dich um einen anderen Hund. Der braucht deine Liebe genauso wie ich und du seine.
Und wenn ihr durch das Wäldchen lauft, zeig ihm, wo du den Hasen vergraben hast, den ich dir gebracht habe.
Feier bitte meine Erinnerung und höre auf, dich in ihnen zu vergraben. Du hast lange genug in meiner Decke gelegen und alte Videos von uns geschaut.
Hör auf damit.
Es ist sonst so als wäre mein Leben eine Last für dich gewesen und nicht die Freude, die wir zusammen hatten.
Du ehrst mich, indem du lebst, lachst und liebst. Du gedenkst meiner, indem du unsere gemeinsamen Wege jemanden anderem zeigst.
Mach aus meinem Leben etwas Sinnvolles, wie witzige Anekdoten oder gewichtige Erinnerungen.
Also wie hast du immer zu mir gesagt?
Hintern hoch, altes Haus, wir gehen eine Runde um den Block. Wer weiß, was wir heute Schönes erlebe!
In ewiger Liebe, deine Sunny
Für H.