‚Oh mein Gott,‘ schoss Birgit durch den Kopf. ‚Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ein Blind Date! Warum habe ich mich dazu nur überreden lassen?‘ Wartend sah sie sich in der kleinen, gemütlich eingerichteten Eckkneipe um.
‚Ulrike und ihre verrückten Ideen! Mich kann hier sonst was erwarten.‘
Ulrike, seit Jahren glücklich verheiratet und mit einem Prachtexemplar von Mann ausgestattet. Sie hatte es sich bis zu ihrem 35. Geburtstag zur Aufgabe gemacht, ihre sieben Single-Freundinnen zu verkuppeln. Sieben junge Frauen, im Alter von 25 bis 35 Jahren, suchten alle nach ihrem Traumprinzen und dabei hatten sie schon mehr und minder schlechte Erfahrungen hinter sich gebracht.
‚Na, wenn das hier ein Flop wird, haut das Ulrikes Terminplan völlig um…‘ schoss es Birgit durch den Kopf. ‚Sie hat nur noch anderthalb Jahre Zeit…‘ ein Schmunzeln huschte über ihr bis dahin angespanntes Gesicht.
Alphabetisch wollte sie vorgehen, sagte Ulrike. Und sie hätte auch schon für jede Freundin einen Plan.
Die acht Freundinnen konnten verschiedener nicht sein. So ruhig, sensibel und verständnisvoll die brünette Birgit war, so feurig und aufbrausend war die 25jährige, rothaarige Elsbeth.
‚Und warum bekomme ich gerade das Blind Date?‘ haderte Birgit weiter mit ihrem Schicksal. ‚Vielleicht ist er so ein überkandidelter Schlipsträger, der nur von seinem Büro und Computer erzählen kann. Oder ein ewiger Dauerstudent, der zur Öko – Schiene gefunden hat wie Gabriela. Oder ein Sportfreak wie Mandy, die morgens erst einmal 2 Stunden joggen muss, bevor sie munter wird. Oder ein Model Typ, der wie Paula nur die nächsten 10 Kosmetiktermine auswendig weiß und alles andere ständig vergisst.‘ Sie mochte ihre Freundinnen, wirklich, aber diese hatten Eigenschaften und Wesenszüge an sich, die sie niemals verstehen würde.
Birgits Blick wanderte zur Uhr, die direkt über dem Eingang hing. Noch fünf Minuten, dann musste „ER“ auftauchen. Gutaussehend sollte er sein, intelligent und sehr humorvoll, dass meinte zumindest diese selbsternannte Kupplerin Ulrike. Sie hatte Emil in der Kaufhalle kennen gelernt und ihn auf Anhieb sympathisch gefunden. Auf Birgits Frage, wie oft sie ihn gesehen hätte, war Ulrike mit einem leicht schuldig wirkendem Blick ausgewichen.
‚Oh Gott, wer weiß, was der Typ für ein Freak ist, und ich muss es ausbaden!‘ in Birgit begann sich Protest zu regen. Noch zwei Minuten waren Zeit, um zu verschwinden. Sie konnte sagen, er wäre nicht aufgetaucht oder noch besser, er hätte sich schrecklich benommen. Nein, dieses „schrecklich benommen“ hätte Ulrike bis ins kleinste Detail wissen wollen und ihm beim nächsten Treffen vorgehalten.
‚Verdammt, ich sitze in der Falle …‘
„Guten Abend, Sie müssen Birgit sein.“ Eine angenehme, durch und durch männliche Stimme schreckte Birgit aus ihren Grübeleien. Schüchtern begann sie ihren Blick von ihrer Handtasche, mit welcher sie gerade verschwinden wollte, zu heben.
Zuerst sah sie saubere blaue Jeans, welche sich leicht über stramme Beine spannte. Ein weißes T- Shirt, über das ein modisches graues Jackett gezogen worden war, verriet einen nicht ganz schlanken Oberkörper. In der rechten Hand hielt dieser Emil eine gelbe Rose, die ausgestreckt in ihre Richtung zeigte. Mit einem innerlichen Seufzer bereitet sich die junge Frau auf die Inaugenscheinnahme des Gesichtes vor. Ein energisches Kinn, über dem sich ein zu einem sanften Lächeln geschwungener Mund, mit einer etwas zu kleinen Oberlippe, befand, eine markante Nase umschlossen von ansehnlichen Wangenknochen und zu guter Letzt stahlgraue Augen, die unter etwas wirrem blonden Haar hervorschauten und ebenso lächelten wie der Mund.
„Ja.“ hauchte Birgit vollständig hingerissen.
‚Das muss Adonis selbst sein.‘ schoss ihr durch den Kopf.
„Mein Name ist Emil, ich hoffe Ulrike hat nicht zu viel Schlechtes über mich erzählt.“
„Nein.“ schaffte Birgit gerade so hervorzubringen.
Völlig unmöglich, dass dieser Märchenprinz graue Mäuse mochte. Sie glaubte sich realistisch genug, um ihr durchschnittlich geschnittenes Gesicht mit den ausdrucksvollen grünen Augen und den sündhaft erscheinenden roten Lippen, als unansehnlich zu bezeichnen. Auch ihre etwas propere Figur sah sie eher als abstoßend denn anziehend.
„Habe ich Sie irgendwie erschreckt?“ fragte Emil besorgt, da Birgit ihn unverändert anstarrte.
„Ja,“ hauchte sie, um genau in diesem Augenblick zur Besinnung zu kommen. „nein, natürlich nicht, es ist nur, Sie sind so schön … ähm ich meine, ich bin es nicht …ähm, Sie können nicht derjenige … ach, verdammt ich fasele…“ völlig beschämt senkte Birgit ihren Kopf.
Warum musste sie auch immer in unkontrolliertes Gebrabbel verfallen, wenn sie aufgeregt war.
Befreiend auflachend ließ sich Emil in den Sitz neben ihr fallen.
„Und ich hatte schon befürchtet, du magst mich nicht.“ platzte er heraus.
Verwirrt schaute Birgit ihn an.
Stimmt, sie kannte ihn, der sexy Typ von der Fleischtheke im Supermarkt und Ulrike kannte ihn vom Einkaufen …
„Sie hat mich gefragt, ob du mir gefällst und ich sagte ja. Da meinte sie, du bist zu schüchtern und so … und wir könnten da nachhelfen, wenn ich wöllte … und ich dachte, du findest mich zu dick oder so … und jetzt fasele ich …“
Birgit und Emil brachen gleichzeitig in Lachen aus und das Blind Date endete mit einer neu geschlossenen Freundschaft, welche nach wenigen Wochen in eine gemeinsame Verliebtheit mündete. Und am 27. Geburtstag von Birgit wurde die daraus folgende Liebe mit einer Ehe besiegelt.
Zeit für Ulrikes zweites „Liebes-Opfer“…