Yankee – Yankee

Ich verstand zwar nicht, was genau da passierte, aber ich kannte es mit meinen drei Lebensjahren nicht anders.
Aller zwei, drei Tage nahm mein Vater mich auf den Arm, während der laute, hässliche, stinkende Kerl mit meiner Mutter im Haus verschwand.
Stets hielt mein Vater mich fest, fast so fest, dass ich keine Luft mehr bekam.
Stets hörte ich Mama erst schreien, dann betteln und irgendwann klang es wie das Winseln des alten Hundes aus der Scheune.
Stets war es Nacht und alles dauerte eine Zeitlang.
Stets kam der komische Kerl dann irgendwann grinsend zu mir und meinem Vater und versuchte mir über den Kopf zu streichen.
Ich hasste diese grobe Hand. Doch Mama hatte mir gesagt, ich solle es still ertragen. Denn ich wäre ein großer Junge und große Jungs tun so etwas.
Auch dieses Mal gingen wir letzten Endes zurück ins Haus und meine Mama stürzte sich in Papas Arme.
Ich sollte schlafen gehen, sagte Papa.
Mama lief wieder Blut im Gesicht und ihre wunderschöne ebenholzfarbene Haut war an manchen Stellen pechschwarz.
Papa legte erst Mama aufs Bett und dann mich.
Ich beobachtete sie beide genau.
Papa wusch ganz vorsichtig Mama am ganzen Körper.
Mama wimmerte manchmal leise.
Als Papa fertig war, legte er sich neben uns und zog uns in seine Arme.
Er sang mit sanfter Stimme ein Schlaflied, für Samana, seine Frau und Sune, seinen Sohn.
Auch das verstand ich nicht, denn ich hieß ja Sundance. Also so nannte mich die anderen im Dorf.
Und ich verstand nicht, warum Papa so schön dunkel war wie Mama und ich hatte so eine hässliche Hautfarbe wieder der komische Kerl.

Mama meinte, ich wäre etwas Besonderes.
Ich mochte diese Hautfarbe, die ich habe, nicht und auch nicht diese roten Haare.
Mama meinte, ich wäre jetzt 5 Jahre alt und müsste beim Master im Haus helfen.
Ich mochte diesen Master nicht, er machte immer noch, dass Mama weinte.
Der Master meinte, ich müsste seiner Frau aus dem Weg gehen.
Ich mochte diese Frau nicht, so sah mich immer so komisch an und schlug mich, wann immer ich auf sie traf.
Heute ging ich zum Haus des Masters. Mama nannte es das Herrenhaus.
Das verstand ich nicht, dort wohnten ja auch Frauen.
Ich sah eine große Staubwolke vor mir und hörte auf einmal Mama und den Master schreien.
Die Frau vom Master ritt direkt auf mich zu. Ihr Pferd stieg auf und ich sah wie sie aus dem Sattel fiel und ihr Kopf komisch abgebogen wurde, als sie aufkam.
Das war aber leider das Letzte, was ich je sah.
Die Vorderhufe des Pferdes trafen mich am Kopf.

Ich wusste nicht, ob ich ein dreckiger Nigger war, wie mein Vater mich nannte oder ein dämlicher Wigger, wie mein Ziehvater sagte.
Ich bin seit dem „Unfall“ mit dem Pferd, welcher der Frau meines Vaters das Leben kostete, blind. Mein Leben änderte sich an diesem Tag vollständig.
Mein Vater ließ mich nachträglich anerkennen. Meine Halbschwestern wurden dadurch zu besseren Sklaven für mich degradiert. Immerhin war ihre Mutter an der Behinderung des einzigen Erbens schuld.
Ich verstand nicht, warum mein Vater nicht wieder heiratete und neue Erben machte.
So wurde im Laufe der folgenden Jahre ein blinder, weißer Plantagenbesitzer aus mir, der seinem Vater hörig zu sein schien.
Auf sein Geheiß misshandelte ich die Sklaven, quälte meine Schwestern und hurte herum.
Er bemerkte nie, was für ein sensibler und vor allem intelligenter Mensch ich war.
Nathania, meine angeblich bevorzugte Hure, brachte immer viel Schminke und Hühnerblut mit. Es machte uns einen Heidenspaß die Schreie zu spielen und sie dabei zu schminken, als hätte ich sie verprügelt.
Meine Schwestern waren mir in Liebe zugetan und ich versuchte alles, um sie so wenig wie möglich verletzen zu müssen. Oftmals konnten wir hier auch mit Theaterschminke nachhelfen, und zerschlagenem Mobiliar schenkte mein Vater mehr Aufmerksamkeit als einem zerschlagenen Gesicht.
Auch die Sklaven standen treu hinter mir, denn einer von den Ihren hatte es bis ins Herrenhaus geschafft.
Leider musste ich eines Tages meinen Ziehvater auspeitschen, doch der Vater war schon so betrunken, dass er sich bei der Anzahl der Schläge verzählte.
Meine Mutter meinte, man müsse für ein gutes Leben auch Opfer bringen. Wer weiß, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn mich die Hufe verfehlt und die Frau meines Vaters überlebt hätte.

Ich war also ein blinder, weißer Mann, das Licht für sehende, aber verlorene Menschen.

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